SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Geschichten, die das Leben schreibt 

„Papa, wie erkenne ich eigentlich den lieben Gott, wenn ich ihm mal begegne?“ –  fragt Daniel seinen Vater. Der ist verlegen und schweigt. Nach einiger Zeit: „Du kannst aber auch Fragen stellen – ich muss darüber nachdenken.“ Am nächsten Tag weiß der Vater eine Antwort: „Wenn dir jemand etwas schenkt und dafür nichts zurück haben will, dann muss der liebe Gott in der Nähe sein.“ 

Tolle Antwort! Darüber lohnt es sich nachzudenken. Daniel tut das sehr konkret auf seine Weise und geht auf die Suche nach dem lieben Gott. Ist er vielleicht bei seinem Opa? Der schenkt dem Jungen nämlich eine bunte Mütze, doch unter der Bedingung: „ ... wenn du gut darauf aufpasst.“ Pech gehabt. Dann vielleicht bei  seiner Tante. Die schenkt Daniel ein schönes Lebkuchenherz, erwartet aber einen Kuss dafür. Wieder nichts. 

Zum Geburtstag bekommt er von Mama und Papa ein Fahrrad geschenkt. Daniel freut sich riesig und denkt, ob der liebe Gott vielleicht diesmal seine Hand im Spiel hat. Aber nach zwei Tagen kommt auch hier die Ernüchterung. Daniel fährt mit seinem neuen Fahrrad durch den frischen Rasen des Nachbarn. Sein Papa sichtlich erregt: „Du behältst das Fahrrad nur, wenn du keinen Unfug mehr damit machst.“ 

Traurig und enttäuscht setzt sich Daniel auf die kleine Holzbank unter dem Apfelbaum im Garten. Es ist Herbst. Plötzlich fällt ein wunderschöner Apfel direkt neben den Jungen. Er hebt ihn auf und isst ihn.

Da geht Daniel ein Licht auf. Eben hat er etwas geschenkt bekommen, ohne dass er etwas Besonderes dafür machen muss. Einfach so. Aufgeregt rennt er nach Hause und berichtet, dass der Apfelbaum etwas mit dem lieben Gott zu tun haben müsse. 

„Du hast recht, Daniel“, sagt der Vater: „Der Apfelbaum schenkt uns so viel, ohne irgend etwas zurück zu wollen. Im Frühjahr lacht er uns mit seinen bunten Blüten an. In der Sommerhitze spendet er Schatten. Im Herbst schenkt er uns frische  saftige Äpfel. Und die Schaukel am dicken Ast trägt den Jungen auch im Winter.“ 

„Endlich“ – so freut sich Daniel – „endlich habe ich den lieben Gott gefunden: Der liebe Gott wohnt bei uns im Apfelbaum.“ 

(Franz Hübner, Brigitte Smith, Der liebe Gott wohnt bei uns im Apfelbaum, Wunderland-Verlag Aschaffenburg, 2009)

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