SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Können Sie sich von Herzen freuen? Der heutige Sonntag heißt im kirchlichen Jahreskalender Jubilate, was so viel bedeutet wie: „Zeigt eure Freude, lobt Gott aus vollem Herzen!“ Das hat in mir diese Frage geweckt: Wann habe ich mich zuletzt wirklich richtig gefreut?

Ich muss gestehen, in den letzten Wochen war mir nicht so sehr nach Jubeln zumute. Mir ist da einiges über den Kopf gewachsen, einfach zu viel und zu schwer geworden. An manchen Tagen musste ich mich regelrecht in die Spur zwingen. Da war ich froh, wenn ich mit mir und meiner Arbeit einigermaßen durchkam.

Mir hilft da oft Musik, die Gedanken, die Melodien, die Stimmen von anderen Menschen. Das gibt mir Kraft, und oft auch eine Ahnung, was Gott in dem Leben von anderen Menschen bewegt und bewirkt.

Ein Lied hat sich mir in den letzten Wochen besonders tief eingeprägt. Es heißt Changes, also Veränderungen. Ein Lied von Charles Bradley, einem begnadeten Soul-Sänger. Er hat es nicht selbst geschrieben, aber keiner hat es je so gesungen, mit so viel Tiefe, mit so viel Seele wie er. Es geht in dem Lied um Trennung. Es geht um den Abschied von einem geliebten Menschen. Das Lied bedauert, was man versäumt hat, in der gescheiterten Beziehung zu dieser Person. Aber dann kommt: jetzt muss ich in einen neuen Lebensabschnitt hineingehen.

Charles Bradley sagt, er singe hier von seiner Mutter, die ihm nie eine richtige Mutter sein konnte und er ihr nie ein guter Sohn. Man kann in dem Lied hören, wie traurig ihn das macht und wie wütend. Man hört seine Tränen, wenn er singt. Und in seinem schwarzen, zerfurchten Gesicht erkennt man die ganze Tragik eines langen, schwierigen Lebens. Charles Bradley ist nämlich kein junger Mann mehr. Er ist 67. Aber erst in den letzten Jahren hat er die Kurve in seinem Leben hinbekommen.

Wenn er davon erzählt, bringt er kaum einen Satz zu Ende, ohne dass ihm die Stimme abbricht, obwohl er doch eigentlich so kräftig und laut singen kann. Bei seinen Konzerten betont  Charles Bradley immer wieder, wie sein Glaube, ja wie Gott ihm immer wieder Kraft gegeben hat. Trotz schlimmer Niederlagen konnte er wieder aufstehen und weitergehen.

Für mich verströmt Changes, trotz allem viel Kraft und Lebensmut. Es sagt mir, dass der Schmerz nicht das Letzte ist, sondern der Glaube neues Leben und neue Hoffnung hervorbringen kann.

Ich verstehe dann auch ein Wort aus der Bibel viel besser. Einen Vers aus dem ersten Johannesbrief: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. (1. Joh. 5,1-4). Mich trägt das Vertrauen auf Gott. Nicht meine Kraft, nicht meine Gesundheit, nicht irgendwelche Erfolgserlebnisse. Dass ich auf Gottes Beistand vertrauen kann, das ist ein Grund zu tiefer Freude.

 

Seine Mutter hat ihn und seinen Bruder schon früh verlassen. Sie hat die beiden einfach bei der Großmutter abgegeben. „Ich bin nicht gewollt.“ Dieses Gefühl hat ihn nach eigener Aussage dann sein Leben lang begleitet. Bald hing er mit üblen Gestalten ab, kam sogar ins Gefängnis, weil er jemanden bedroht hatte. Beinahe wäre er gestorben.
Als er wieder gesund wurde, reifte in ihm zum ersten Mal der Gedanke, dass Gott einen Grund hat, ihn hier zu behalten.

Einmal hat ihm seine Großmutter Mut machen wollen, als er übel angegangen worden ist. Sie nahm ein Stück Kohle in die Hand und fragte ihn: „Weißt du, was das ist, Charles?". "Ja, damit macht man Feuer", antwortete er. "Es ist noch viel mehr als das. Wenn du das Stück Kohle drückst und drückst, wird es zu einem wertvollen Diamanten. Denke daran, wenn man dir wehtut und die Welt gegen dich zu sein scheint. Lass sie ruhig, denn dein Diamant wird nur noch stärker glänzen."

Tatsächlich verströmt er in seinen Liedern eine Ehrlichkeit und Güte wie man sie sonst selten auf Bühnen und Tonträgern erlebt. Bei manchen Liedern haben auch viele Zuhörer Tränen in den Augen. Oft tritt er nach seinen Konzerten mitten unter sein Publikum und nimmt einige einfach in den Arm. Wer ihn erlebt, gewinnt das Gefühl. hier steht einer, der selbst Kraft und Hilfe von außen braucht und diese durch seinen Glauben erfährt.

So wie es in dem Bibelwort heißt: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. (1. Joh. 5,1-4). Wie nahe dann Tränen und Jubel beieinander liegen, das kann man in einem Konzert von Charles Bradley erfahren.

Und was ist das für ein Glaube, der einem Mut macht, wenn das Leben einem zu schwer wird? Was kann einem Kraft geben, wenn einem alles über den Kopf wächst und einem alles genommen wird?

Christen halten sich dann fest an Jesus Christus. Er hat auch schlimme Niederlagen erlebt, wurde von Freunden verraten, verhaftet und hingerichtet. Aber als es so aussah, als ob er von Gott und der Welt verlassen wäre – da hat Gott ihn auferweckt. Gott hat ihm das Elend und den Schmerz nicht erspart. Aber er hat ihn nicht verlassen. Gott hat Jesus Christus auferweckt. Er hat ihm neues Leben geschenkt.

Nicht Schwäche, Krankheit und Tod haben das letzte Wort. Gott eröffnet  immer wieder neue Lebensmöglichkeiten: So, wie er es für Jesus getan hat, so kann er es auch für mich tun und für Sie auch. Mitten im Leben, wenn man glaubt, nun sei alles aus und vorbei. Und am Ende des Lebens auch. Ich finde, das ist ein Grund zu echter Freude. Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.

Diesen weiten Horizont wünsche ich Ihnen heute und einen gesegneten Sonntag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21821
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