SWR2 Wort zum Tag

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Vor wenigen Tagen jährte sich zum 100. Mal der Geburtstag des Jesuitenpaters Alfred Delp. Am 15. September 1907 wurde er in Mannheim geboren. Als Jugendlicher konvertierte er zu katholischen Kirche, 1937 empfing er in München die Priesterwei-he. Als Leitmotiv für sein künftiges Leben als Ordenspriester wählte er das Wort aus dem Johannes-Evangelium: „Die Wahrheit wird euch frei machen.“ (Johannes 8,32) Das ist ein großes Wort. Es besagt: Wahrheit manipuliert und knechtet die Menschen nicht; das Ziel jeder Wahrheit ist es, Menschen zur Freiheit fähig zu machen und zu einem befreiten, mündigen Leben zu führen. Ich sehe darin den Kern des christlichen Glaubens. Er besteht nicht in einem System von Dogmen, sondern in der Freiheit; in der Befreiung jedes Menschen zu seiner ureigensten Bestimmung. „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ – das steht an einer anderen Stelle der Bibel (2. Korin-therbrief 3,17).

„Die Wahrheit wird euch frei machen“: Unter dem nationalsozialistischen Terror, der die Köpfe, die Herzen und das Leben der Menschen knechtete, wurde dieses Wort für Alfred Delp zur persönlichen Herausforderung, für die er seinen brillanten Geist einsetzte und für die er schließlich mit dem Leben bezahlte. Für den Theologen und Soziologen Delp war dieses Wort eine Glaubenswahrheit, die er aber auch in ein politisches Programm umsetzte. 1942 kam er mit dem sogenannten Kreisauer Kreis in Kontakt, einer Gruppe von Intellektuellen und Politikern im Widerstand gegen Hitler. In ihrem Auftrag entwarf er Grundzüge einer Gesellschaftsordnung nach dem Ende des Nationalsozialismus. Er nannte dieses Konzept einen „theonomen Humanismus“, der den Menschen ein Leben in Würde und Freiheit ermöglichen sollte. Soziale Gerechtigkeit und Solidarität sowie die Achtung vor dem Transzendenzbezug des Menschen – das waren die tragenden Fundamente seines künftigen Gesellschaftsbildes. Die Freiheit war darin zentral – aber nicht als Willkür, sondern als ein Leben in bewusster Verantwortung für den Mitmenschen und vor Gott.

Nach dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde Alfred Delp verhaftet und nach Folter und Misshandlungen am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Wenige Tage vor seinem Tod schreibt er aus der Todeszelle an sein soeben gebore-nes Patenkind Alfred Sebastian: „Das war der Sinn, ... der meinem Leben gesetzt wurde: ...helfen, dass die Menschen nach Gottes Ordnung und in Gottes Freiheit le-ben und Menschen sein können“. Am Schluss dieses Briefes fügt er hinzu: „Dies hab ich mit gefesselten Händen geschrieben; diese gefesselten Hände vermach’ ich Dir nicht, aber die Freiheit, die die Fesseln trägt und in ihnen sich selbst treu bleibt, die sei Dir schöner, zarter und geborgener geschenkt.“

Aus: Alfred Delp, Kämpfer – Beter – Zeuge. Letzte Briefe. Beiträge von Zeugen, Freiburg-Basel-Wien 1962, 109 https://www.kirche-im-swr.de/?m=2182
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