SWR3 Gedanken

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Die absolute Neuheit auf dem Fotomarkt ist die sogenannte „Smile Shutter“ Funktion.
Die Kamera löst nur noch aus,
wenn eine zuvor ausgewählte Hauptperson auch wirklich lächelt.
Der Vorteil ist offensichtlich:
nur noch gute-Laune-Bilder, kein lästiges Aussortieren mehr
und jeder zeigt sich von seiner Schokoladenseite – dank „Smile Shutter“.
Aber eigentlich auch ein bisschen schade.
Oftmals sind doch die vermeintlich missglückten Bilder gerade die,
die was zu erzählen haben.
Zum Beispiel das alte Schwarz-Weiß-Foto meiner Mutter mit ungewissem Blick.
Kurz zuvor hatte sie erfahren,
dass sie noch einmal überraschend schwanger geworden war.
Oder mein Kumpel und ich:
wir hocken frisch gekentert und pudelnass neben unserem vollgelaufenen Kanu - betröppelte Gesichter.
Diese Fotos sind so gut, weil sie das Leben zeigen, wie es wirklich ist.
Ein Foto soll ja Situationen festhalten, Erinnerungen erleichtern, das Leben abbilden.
Und das besteht nun mal nicht nur aus Lächeln und guter Laune.
Sondern es gibt auch Momente, da bin ich traurig, griesgrämig, wütend oder nachdenklich. Ich finde, gerade diese Vielfalt macht das Leben interessant.
Ich erinnere mich noch gut an ein Familienfoto-Shooting, bei dem ich miese Laune hatte. Noch nie ist mir das Lächeln so schwer gefallen.
Lächeln macht doch erst richtig Spaß, wenn es von Innen kommt,
wenn ich den Zeitpunkt dafür selbst bestimmen darf.
Der Fotomarkt ist mit „Smile-Shutter“ vielleicht um eine Errungenschaft reicher,
aber das echte Leben kann mehr als bloß Lächeln.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=2179
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