SWR2 Wort zum Tag

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Wir schreiben den April 1415. In Konstanz am Bodensee treffen sich hunderte Theologen, Bischöfe und Könige. Zu einem Konzil. Die höchste Versammlung, die die Kirche kennt. Hier beschließen sie Ungeheuerliches. Stellen die bisherige Ordnung der Kirche auf den Kopf. Das Konzil von Konstanz hält am 6. April 1415 in seinem Dekret Haec sancta fest: Das Konzil steht über dem Papst. Die Gemeinschaft aller Glaubenden, die sich in der Kirchenversammlung wiederspiegelt, repräsentiert den Glauben. Selbst der Papst steht unter dieser Gemeinschaft.

Vor sechshundert Jahren ein handfester Skandal. Der Papst ist mächtig, verbündet mit Kaiser und König. So attraktiv ist das Papstamt, dass gleichzeitig drei Päpste regieren: Gregor XII. in Rom, Benedikt XIII. in Avignon und Johannes XXIII. in Pisa. Die drei bekämpfen sich, unterstützt von verschiedenen Herrschern in Europa.

Das Konzil von Konstanz will damit Schluss machen. Will das seit fast vierzig Jahren bestehende »Große Abendländische Schisma« beenden. Die Kirche soll wieder eins sein. Auf der Tagesordnung steht außerdem eine umfassende Kirchenreform.

Aber die konkurrierenden Päpste geben nicht einfach so klein bei. Sie torpedieren die Versammlung. Schließlich haben König, Bischöfe und Theologen die Nase voll. Die Nase voll von Päpsten und Gegenpäpsten, von Intrigen und Machtspielen. Sie halten fest: Das Konzil steht über dem Papst. Kurzerhand setzen die Konzilsväter die drei Päpste ab; Martin V. wird als neuer Papst gewählt. Der Schachzug gelingt. Die Gegenpäpste geben auf, die Kirchentrennung findet ein Ende. Mehr allerdings gelingt nicht. Die dringend notwendigen Reformen in der Kirche werden nicht einmal ansatzweise diskutiert. Sie bleiben Martin Luther und der Reformation vorbehalten.

Wenn heute Menschen nach Reformen in der Kirche rufen, können sie sich auch auf das Konzil von Konstanz berufen. Auf die Einsicht, dass der Papst – und letztlich auch kein einzelner Bischof oder Priester – über der Gemeinschaft der Gläubigen steht. Sie können sich sicher sein: Der Glaube der Gemeinschaft ist wesentlich für die Kirche. Nicht das, was einer alleine sagt oder beschließt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21774
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