SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

oder was „Verklärung Jesu“ bedeutet

„Und er wurde vor ihren Augen verwandelt, sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden blendend weiß wie das Licht“, so beschreibt der Evangelist Matthäus die Verklärung Jesu auf dem Berg Tabor. Ein wunderbares, ein märchenhaftes Bild. Kein Wunder, dass seine Jünger dort Hütten bauen wollten, wie es weiter im Text heißt. In einer solchen Atmosphäre hält man sich gerne auf. Aber es kommt anderes. Angst kriegen sie und werfen sich zu Boden. Warum? Sie hören eine Stimme, von oben, Gottes Stimme. „Das ist mein Sohn, auf ihn sollt ihr hören“. Aus mit der Verzückung, aus mit dem schönen Bild, Gott wird konkret. Verklärung zeigt, dass Jesus einer Welt angehört, die unser Begreifen übersteigt. Die Perspektive ist nach vorne offen, es gibt mehr als das, was wir in unserem je verschiedenen Alltag erleben. Das ist der Hintergrund, das ist die Zukunft, das ist die Hoffnung, die uns geschenkt ist. Die haben wir gerade an Ostern gefeiert. Aber eins ist es bestimmt nicht: unsere Ausrede. Vom Himmel träumen, den verklärten Jesus bewundern, muntere Osterlieder singen ohne die Botschaft Jesu umzusetzen, es zu mindestens zu versuchen, taugt nicht. Es gibt für Christen keine weltfernen Inseln der Glückseligkeit. Wir bauen keine Hütten, sondern werden immer wieder auf den Boden geholt. Die Verschnaufpausen auf dem Berg sind notwendig, sind stärkend, sind wichtig um die Übersicht zu behalten. Aber dann müssen wir wieder runter. Um den Mund aufzumachen, wenn es auf uns ankommt. Verklärung heißt für mich auch, die Dinge in einem anderen Licht sehen. Etwas langsamer sein im Urteil, etwas vorsichtiger im Einordnen, etwas ehrlicher im Blick auf sich selbst. Schön wäre es, wenn wir Christen - egal welcher Konfession -mehr als mutige Apostel der Barmherzigkeit denn als todernste Hüter der Wahrheit erscheinen würden. Das heißt nicht alles verstehen und entschuldigen, dass heißt nicht Absolution gratis, heißt nicht Freibrief für Alle. Aber es meint, sich nicht ekeln vor dem Boden, auf den mancher geschmettert wird. Jesus konnte mit Scheitern umgehen und Neuanfänge ermöglichen. „Steht auf, habt keine Angst“, sagt er zu seinen Jüngern, die es buchstäblich umgehauen hat. Wir haben Gottes Zusage, dass er unser Suchen und Zweifeln, unser Siegen und Scheitern unseren Freiheitsdrang und unsere Sehnsucht nach Nähe und Heimat begleitet und umfängt. Er wird uns einst vollenden in der Wirklichkeit, die wir Himmel nennen. Aber erst einmal leben wir hier. Jetzt, an unserem je unterschiedlichen Platz. Gottes Teil ist unsere endgültige Erlösung, unser Teil ist unser Leben zu leben, es - so weit es geht - auszukosten und zu nutzen aber auch erkennbar werden zu lassen, wes Geistes Kind wir sind. Verklärung heißt, die Dinge in einem anderen Licht sehen. In Gottes Licht und Jesu Perspektive. Daran wird man uns Christen erkennen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21770
weiterlesen...