SWR3 Gedanken

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Giuseppe war schon immer ein Träumer. In der Schule nennen sie ihn nur „bocca aperta“ – offenens Maul. Sein Lehrmeister, der Schuhmacher, kann auch nichts mit ihm anfangen. Schwächlich und unaufmerksam! Beim Franziskaner-Orden nimmt man ihn erst gar nicht auf. Zu dumm für uns! Und auch als Küchenjunge taugt er nicht, weil er mehr Geschirr kaputt macht als spült.

Schließlich kommt Giuseppe Desa bei seinem Onkel im Kloster unter. Er ist inzwischen 22 und bekommt zum ersten Mal so etwas wie Vertrauen entgegen gebracht. Und siehe da, er bewährt sich bei der Stallarbeit und betreut den klostereigenen Esel.

Wir befinden uns im 17. Jht. im Bergdorf Copertino in Apulien. Aber Träumer gibt´s auch heute noch und wird es wahrscheinlich immer geben. Giuseppe Desa heißt jetzt Bruder Josef. Die Mönche haben nämlich erkannt, dass sich hinter seiner Tollpatschigkeit eine große geistige Tiefe verbirgt.

Aber er bleibt ein Sonderling und ist den Mitbrüdern auch ein bisschen unheimlich: Bei einer Bibellesung stößt er plötzlich einen schrillen Schrei aus. Oder er hebt vom Boden ab und schwebt zu einer Marienstatue, die er sehr verehrt. Josef selbst sind diese Aktionen peinlich. Und für meine Ohren klingt es arg nach Legende, obwohl diese Vorfälle mit skeptischer Genauigkeit vom Vatikan geprüft wurden. Bekannte Persönlichkeiten wie der König von Polen haben sogar weitere Schwebeeinlagen bezeugt.

Der eigentliche Grund für seine Heiligsprechung dürfte aber seine Menschenliebe gewesen sein. Der vermeintlich einfältige Bruder Josef wusste nämlich Rat in den schlimmsten Lebenslagen. Und er konnte Menschen heilen, indem er sie umarmte oder liebevoll die Hand auflegte.

Heute feiert die katholische Kirche den Gedenktag des Heiligen Josef von Copertino. Sein Leben lang wurde er als Träumer und Sonderling abgestempelt. Aber manchmal können uns gerade solche Menschen ein Stück vom Himmel zeigen.


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