SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

-oder rauh aber herzlich

Sabres nennen die Israelis die Früchte der großen Kakteen. Man sieht sie überall im Land. Die Früchte sind außen stachelig, innen aber süß und sehr wohlschmeckend. Sabres, genauso nennen sich die im Land selbst geboren Israelis; mit einer Mischung aus Humor, Ironie und einer tüchtigen Portion Selbsterkenntnis. Sabres. Rau aber herzlich, nach außen oft hart und unnahbar innen aber eher weich und gefühlvoll. Diese Mischung gilt nicht nur für Israelis. Harter Schale, weicher Kern. Diese Redewendung kennen wir auch bei uns. Ein bisschen, mehr oder weniger, passt das wohl auf viele Menschen. Es kommt darauf an, was man erlebt hat, wie viel Narben die eigene Seele trägt, wie viel Enttäuschungen man verkraften musste. Den einen macht das weiser, verständnisvoller, den anderen macht es härter und verbitterter. Nach außen jedenfalls. Als ich vor 20 Jahren nach einem brutalen Raubüberfall in meinem Pfarrhaus eine Zeitlang in den Seilen hing, und nicht mehr so arbeiten konnte, wie ich wollte, verstanden das viele, manche aber auch nicht. Ich werde nie vergessen, wie einer meiner damaligen Chefs mir behutsam klar machte, dass manche älteren Kollegen seiner Generation nur mit Kopfschütteln auf mein „Knock out“ schauten. Ich hab seine Worte noch im Ohr, er sagte zu mir: „Die sagen, wir haben im Krieg doch Schlimmeres erlebt. Und haben es auch weggesteckt. Ich hab ihnen dann nur geantwortet: Stimmt. Das haben wir. Fragt sich nur wohin.“ Soweit mein weiser Chef. Wegstecken ohne darüber zu reden, ohne den Schmerz zuzulassen, Angst haben Schwächen zu zeigen verändert ohne dass man es eigentlich will. Wie viele Härten sind in Gesichtern zu lesen, wie viele machen vieles nur mit sich allein aus. Wie viel coole Sprüche sind nichts anderes als Flucht nach vorne. Wer will, kann das ändern. Die Osterzeit erinnert uns an den Menschen Jesus durch dessen „Wunden wir geheilt sind“, wie es im Evangelium heißt. Dessen ganzes Leben ein Beispiel für Empfindsamkeit, Verletzbarkeit und trotzdem Klarheit und Gradlinigkeit war. Jesus war kein Softie. Auf ihn trifft eher ein Wort des Dichters Peter Rühmkorf zu, das von Jesus selbst stammen könnte:  „Sei erschütterbar und widersteh!“ Hellwach bleiben für das was neben mir geschieht, sich davon berühren lassen. Nicht wegschauen. Die Kartoffelchips beiseite stellen, wenn die Nachrichten wieder von einem Terroranschlag im fernen Irak berichten, keinen Bogen um den Bettler in der Fußgängerzone machen, sich fragen wie ich dem Bekannten helfen kann, der sich seit Monaten in der Flüchtlingshilfe engagiert. Aber auch dem Sprücheklopfer über den Mund fahren, wenn der glaubt mit rechtspopulistischen oder radikalen Sprüchen die Welt erklären zu wollen. „Sei erschütterbar und widersteh!“  Ein gutes Wort, das uns begleiten könnte. Ein programmatisches. Nicht nur für die Osterzeit.

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