SWR2 Wort zum Tag

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Allerheiligen – heute feiert die Kirche wirklich a l l e Heiligen, nicht nur diejenigen, deren Namen und Lebensgeschichten wir kennen und die unseren Vorstellungen von Heiligkeit entsprechen. Die Bibeltexte, die heute in den Gottesdiensten gelesen werden, weisen in diese Richtung: „Ich sah eine große Schar – so die Lesung aus der Geheimen Offenbarung des Johannes – eine Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen“ – im Altertum heißt das immer auch: aus allen Religionen. „Niemand kann sie zählen. Sie rufen: Von Gott kommt die Rettung. Und auf die Frage: Woher sind sie gekommen, wer sind sie? heißt die Antwort: Diejenigen sind es, die aus der großen Bedrängnis kommen.“ (Apk 7, 2 – 4,9-14) Im Evangelium nach Matthäus werden diese Menschen in Bedrängnis konkreter beschrieben (Mt 5, 1 – 12 a). Sie sind arm vor Gott und wissen es, sie sind gewaltlos, durstig und hungrig nach Gerechtigkeit, barmherzig und aufrichtig in ihrem Herzen, sie bringen Frieden, auch wenn sie unverstanden bleiben oder verfolgt werden. Selig, heilig sind sie zu nennen, weil Gott ihre Stimme hört, ihr Rufen vernimmt, ihre Sehnsucht kennt, ihnen Recht schafft und Heilung schenkt.
Die Evangelien erzählen das Leben Jesu als eine Folge von Begegnungen mit sehr unterschiedlichen Menschen. Viele finden Heilung, weil sie Glauben haben, und das heißt: eine widerständige, unbezwingbare Sehnsucht nach Leben, Hunger und Durst nach Gerechtigkeit, nach Versöhnung und Frieden für sie selbst und für andere. Sie vertrauen darauf, dass Gott sie nicht verlassen hat in ihrer Not. Einer jüdischen Frau sagt Jesus in ihrem Verlangen nach Heilung: Hab Vertrauen, dein Glaube hat dich gerettet (Mt 9). Einer heidnischen Frau, die alles tut, damit ihre Tochter gesund wird, sagt er: Dein Glaube ist groß, es wird dir gegeben, wonach du verlangst (Mt 15). Und die Glaubenskraft eines römischen Besatzungssoldaten empfiehlt er bewundernd als Vorbild: Ich sage euch, bei niemandem in Israel habe ich einen solchen Glauben gefunden (Mt 8).
Jesus erkennt im Verlangen der Menschen nach Heilung, nach Leben, Gerechtigkeit und Frieden die Kraft ihres Glaubens. Er spricht sie selig, unabhängig davon, woher sie kommen und wohin sie gehen werden. Einige, die er geheilt hat, kommen wieder und wollen mehr von ihm erfahren – so erzählen die Evangelien. Andere begleiten ihn eine Zeitlang auf seinen Wegen durch Galiläa. Wieder andere werden zu einem Kreis von Jüngerinnen und Jüngern. Sie teilen seinen Willen, diese Botschaft von Gott bekannt zu machen, möglichst vielen in Israel und darüber hinaus. Wieder andere, die Jesu Wort hörten und von ihm geheilt wurden, gehen danach ihre eigenen Wege weiter. Jesus fordert sie nicht auf, seine Jünger zu werden, verlangt nicht, dass sie ihm folgen. Er fordert sie auch nicht auf, sich zu ihm zu bekennen. Sondern er lässt sie gehen, in Freiheit. Er staunt über ihren Glauben. Sie sind Glaubende in ihrer Existenz. Als Arme vor Gott sind sie Glaubende. Als solche, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten, die barmherzig sind, dem Frieden dienen, sind sie Glaubende, - unabhängig von ihrer Volks- oder Religionszugehörigkeit, weil ihnen Gottes Verheißungen gelten. Jesu Botschaft richtet sich an alle Menschen, nicht nur an seine Jüngerinnen und Jünger. Das Evangelium zeigt einen Weg, der allen offen steht. Das Evangelium Jesu will jeden Menschen auf seinem Weg und in seiner Wahrheit weiterbringen. Es gibt mehr „Heilige“ als die, die wir kennen. Heilige sind überraschend viele. Allerheiligen meint aber nicht nur die große Zahl, die vielen unbekannten Heiligen, sondern es meint eine andere Heiligkeit. Wir dürfen uns das Staunen Jesu angesichts des Glaubens der ihn suchenden Menschen zu eigen machen: In den Augen Gottes sind andere Menschen heilig als wir uns vorstellen.
Glaubende, Träger der Verheißungen Gottes, Heilige, das sind diejenigen, die sich in ihrer Suche nach Leben, Freiheit, Gerechtigkeit an Gott wenden. Sie sind die „Menschen der Seligpreisungen“, ihnen ist Gottes Reich zugedacht. Gott schenkt ihnen, wonach sie sich sehnten. (vgl. Mt 5 und 25)


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