Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Das sind meine Pommes!“ Mein Sohn sieht seine Schwester böse an und dreht sich weg. Er versucht seine Pommes vor den gierigen Händen seiner Schwester zu schützen.

Und mich springt ein Gleichnis an. In der Bibel erzählt Jesus von einem König. Der König erlässt einem Mann seine Schulden. Weil er Mitleid mit ihm hat. Der Mann ist erleichtert. Er trifft auf der Straße einen anderen Mann, der wiederum Schulden bei ihm hat. Der andere Mann bittet ihn, die Schulden zu stunden. Aber der erste Mann ist ganz hart. Er will sein ganzes Geld zurück. Deshalb lässt er ihn ins Gefängnis werfen. Seine Schulden wurden erlassen – aber er selbst erlässt anderen die Schulden nicht. Dieses Gleichnis hat mich schon immer aufgeregt.

Und jetzt macht mein Sohn das Gleiche. Er schützt seine Pommes. Und ich rege mich auf. Wir sitzen in einem dieser Burger-Bunker und er hat gerade einen Hamburger verdrückt. Eigentlich sollten wir gar nicht hier sein. Wir kommen nämlich gerade vom Mittagessen. Aber das hat meinem Sohn nicht geschmeckt. Er ist noch hungrig. Meine Frau wäre da konsequenter. Aber mir tut er leid. Mir haben als Kind auch viele Dinge nicht geschmeckt. Also habe ich angehalten, als ich das Schild des Burgerladens über der Straße gesehen habe.

Von dem Schuldner aus dem Gleichnis erwarte ich, dass er weitergibt, was er selbst erfahren hat: Großzügigkeit, Barmherzigkeit, Vergebung. Und jetzt sehe ich, wie mein Sohn seiner Schwester nicht eine Pommes gönnt. Da werde ich dann ein bisschen moralisch: „Ich habe dir erlaubt, hier zu essen. Obwohl wir eigentlich gerade gegessen haben. Und jetzt willst du deiner Schwester nicht eine Pommes abgeben?“

Mein Sohn schaut mich an. Er schaut seine Schwester an. Langsam schiebt er seine Pommes ein Stückchen in ihre Richtung. „Keiner hat gesagt, dass es leicht ist“, sage ich. „Aber wenn wir schon so viel bekommen haben, dann sollten wir doch auch ein bisschen abgeben, oder?“

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