SWR2 Wort zum Tag

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Heute hat Hans Christian Andersen Geburtstag, am 2. April 1805 wurde er geboren. Wer Märchen liebt - so wie ich - kommt an dem Dänen nicht vorbei. Besonders mag ich sein Märchen „Die Schneekönigin“. Es erzählt von einem Teufelsspiegel, der Gutes böse und Schönes hässlich widerspiegelt. Als der Spiegel eines Tages zerbricht, verteilen sich seine Splitter auf der ganzen Welt - mit verhängnisvollen Auswirkungen. Menschen, die ins Herz oder ins Auge getroffen werden, sehen und fühlen nur noch das Böse, alles Schöne erscheint ihnen hässlich. Im Märchen wird der kleine Kay von Splittern getroffen, er verändert sich, kann überall nur noch Hässliches sehen und wird schließlich von der Schneekönigin in deren Palast entführt - sein Herz ist wie erfroren. Erst die Liebe seiner kleinen Freundin Gerda, die Kay aufopferungsvoll sucht und schließlich findet, kann ihn erlösen. Ihre heißen Tränen dringen in sein zu einem Eisklumpen erstarrten Herzen und tauen es auf. Gleichzeitig wird das Spiegelstück aufgelöst, das in seinem Herzen steckte.

Es gibt Tage, da kommt es mir vor, als ob ich von einem teuflischen Splitter getroffen wurde. Die Sonne scheint, die Schlüsselblumenwiese in meinem Garten macht sich alle Mühe, ein Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern, aber ich ärgere mich nur darüber, dass die Schnecken Löcher in den Sauerampfer gefressen haben. Im Konfirmandenunterricht sind 21 Jugendliche pünktlich erschienen und haben Lust, mit mir ein Suchspiel zu Psalm 23 auszuprobieren, und ich ärgere mich über den Jungen, der eine Viertelstunde zu spät kommt. Wenn mich ein Teufelssplitter getroffen hat merke ich es daran, dass mir die Welt lästig ist, die unschönen Erlebnisse unverhältnismäßig wichtig erscheinen und die erfreulichen dagegen in Vergessenheit geraden. Manchmal bin ich dann auch ziemlich unleidlich zu den Menschen, die es eigentlich gut mit mir meinen. An diesen bösen Tagen brauche ich ganz besonders die Nachsicht und Geduld lieber Menschen, die sich von meiner schlechten Laune nicht abschrecken lassen und sich einen Weg zu meinem Herzen suchen.

Denn leider ist es sehr schwer, manchmal fast unmöglich, sich selbst am eigenen Schopf  aus dem Sumpf der schlechten Laune zu ziehen bzw. das eigene Herz aufzutauen. Ich jedenfalls bin sehr dankbar für alle, die mir den Blick für die Schönheit der Welt neu öffnen und - manchmal auch mit heißen Tränen - mein kaltes Herz wieder weich und empfindsam werden lassen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21691
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