SWR3 Gedanken

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Ernst kniet der alte Mann vor der jungen Frau. Sie streckt ihm ihren Fuß entgegen, den er ihr hingebungsvoll wäscht. Eine scheinbar bizarre Szene. Doch bevor das Kino im Kopf nun zu sehr anspringt: Der 78-Jährige ist Papst Franziskus, der in einem römischen Gefängnis zwölf Strafgefangenen die Füße wäscht. Vor fast genau einem Jahr hat er das gemacht. Das seltsame Ritual gehört in manchen christlichen Kirchen zum heutigen Tag, zum Gründonnerstag. An diesem Tag nämlich soll Jesus zum letzten Mal mit seinen Freunden zusammen gegessen und getrunken haben. Doch bevor sie zu Tisch gingen hat er ihnen allen die Füße gewaschen. Das war damals nicht ungewöhnlich. Nach einem Gang in offenen Sandalen über staubige Straßen fast eine Selbstverständlichkeit. Allerdings, es war der Job der Bediensteten und Sklaven, niemals der des Hausherrn. Das macht diese Szene so ungewöhnlich. Nun mag in Zeiten von asphaltierten Straßen ein solches Ritual ziemlich seltsam wirken, besonders in einer Kirche. Doch Papst Franziskus ging es nicht um das bizarre Nachspielen einer biblischen Geschichte. Sich selber zurücknehmen, sich klein machen, um sich so Menschen zuzuwenden, die es gerade besonders brauchen. Darum geht es eigentlich in diesem Ritual, darum ging es auch dem Papst. Die Gefangenen in jenem römischen Gefängnis haben das jedenfalls sofort verstanden. Die junge Frau, der sich der alte Papst da so liebevoll zuwendet, konnte ihre Tränen in diesem Moment nicht zurückhalten.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21677
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