SWR2 Wort zum Tag

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Diese biblische Hoffnung gibt meiner Seele Kraft: „und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen“. Wenn die neue Zeit Gottes anbricht. So steht es im letzten Buch der Bibel – im Buch der Offenbarung. „Ja, so soll es sein!“ – denke ich oft – wenn ich Menschen in Trauer begegne.

Aber dann kommen nicht selten Fragen in mir auf:
„Und bis dahin? Bis in diese unbestimmte Zukunft? Was geschieht mit den Tränen und Schmerzen hier und heute? Wenn Partnerschaften zerbrechen, wenn wir Abschied nehmen müssen von einem lieben Menschen, wenn wir miterleben, wie andere beleidigt und bedroht werden, wenn wir sehen, wie Menschen fliehen und Schutz suchen.

Morgen beginnt die Karwoche: Sie ist für Christen eine Woche der Erinnerung an Jesu letzte Lebenstage in Jerusalem: Erst jubelnd empfangen – dann bekämpft, beleidigt, verraten, verleugnet, verschmäht und gequält. Was können Menschen Anderen antun! Abgründig ist das und sehr real. Ich erschrecke darüber. Und empöre mich auch: Wie kann das sein?

Zugleich wecken diese Erinnerungen Empathie in mir – ich leide mit: mit Jesu Ängsten und Schmerzen und wenn ich höre, wie er seine Verlassenheit herausruft: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Wenn ich Jesu Leiden nachempfinde, bekommen die Tränen, die ich heute sehe – einen zweiten Ort. Jesus selber geht da hindurch. So bin ich – so sind Andere – mit Tränen und Schmerzen nicht allein.

Und dann höre ich und staune: Gott hat den geschundenen Jesus auferweckt – ins neue Leben gerufen – hat Leid und Schmerz, hat Tränen und Tod nicht das letzte Wort gelassen. Ziel seines Weges ist Ostern. Da - mit Ostern am Horizont - entsteht in mir so etwas wie ein Raum der Hoffnung, eine Ahnung vom erlösten Leben. Darum ist das für mich mehr als nur ein frommer Wunsch: „und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen“. Weil es an dem Einen – Jesus von Nazareth – wirklich geschehen ist – deshalb ist das auch Hoffnung für mich.

Allerdings: Die Tränen bleiben hier und jetzt Tränen. Alles, was in unserem Leben nicht zur Geltung gekommen ist, alles Verbockte und Versäumte, alles Unerfüllte –bleibt verbockt, versäumt und unerfüllt. Vorerst. Doch: Mit dem Horizont von Ostern steht in Leid und Schmerz diese reale Hoffnung über meinem Leben - wie ein Sonnenschein:  „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen“.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21639
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