SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Es ist schon merkwürdig, wenn ich das Wort Leidenschaft  verwende, denke ich überhaupt nicht an Leiden, an etwas, das mir weh tun kann, mich leiden lässt. Im Gegenteil! Leidenschaft ist etwas Schönes, etwas dass mit restloser Begeisterung für eine Sache zu tun hat. Für die Musik zum Beispiel. Mir fällt da ein junger Organist ein, der bei seinen Konzerten Raum und Zeit zu vergessen scheint (und seinem Instrument unglaubliche Töne entlockt). Er ist sicher ein großes musikalisches Talent, aber eben auch ein leidenschaftlicher Mensch. Damit meine ich, dass er mit Leib und Seele dabei ist. Dass ihn seine Musik mehr als alles andere interessiert, glücklich macht. So geht es meinem Bruder mit der Malerei. Die Ideen für neue Bilder gehen ihm nicht aus. Wie beneidenswert sind doch Menschen, die so leidenschaftlich für eine Sache brennen! Oder für einen Menschen! Weil man ihn verehrt, weil er einem imponiert. Und natürlich, weil man ihn über alles liebt. Diese Leidenschaft für einen Menschen kann das größte Lebensglück bedeuten. Das muss aber durchaus nicht für immer so sein – wie schnell kann eine Leidenschaft auch eine andere Seite zeigen, eine leidvolle! An die denken wir oft gar nicht. Aber wenn nun eine leidenschaftliche Liebe nicht erwidert wird, das tut eben sehr weh. „Die Leidenschaft, die Leiden schafft" - dieser Spruch bringt es auf den Punkt. Es gibt Leidenschaften, die zu menschlichen Tragödien führen: Wie die Spielleidenschaft. Wenn Grenzen überschritten werden, kann es im äußersten Fall sogar zu einem Verbrechen kommen. Diese andere Seite macht deutlich wie verwandt das Wort Leidenschaft mit dem Wort Passion ist. Aus dem ist das deutsche Wort Leidenschaft im 17. Jahrhundert entstanden. Die „Passion“  ist ein zentraler Begriff des Christentums und bezeichnet den Leidensweg Jesu.  An ihn denken die Christen jedes Jahr in der Karwoche, also in dieser Woche. (Passion geht zurück auf lateinisch „pati", das heißt erdulden und „passio" das Leiden.) Auch das Wort Passion ist doppeldeutig. Manchmal spricht man statt von Leidenschaft von einer Passion für etwas. Auch hier denkt doch niemand an leiden oder gar an das Leiden Jesu! Mir ist dennoch eine Verbindung zwischen beiden Bedeutungen eingefallen: Jesus hat für die Menschen gelitten. Er ist ein leidenschaftlicher Menschenfreund gewesen, wollte dass sie gut leben können. Und wenn sich heute Menschen leidenschaftlich für andere einsetzen, den Menschen Gutes tun wollen, dann handeln sie in seinem Sinn, bewusst oder unbewusst.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21634
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