SWR3 Gedanken

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Meine Cousine ist eine wahre Lebenskünstlerin und ich bewundere sie. Immer ist sie fröhlich. Warum bist du immer so gut drauf? Hab ich sie mal gefragt. Weil es mir gut geht. Besonders seit der Geschichte mit den 100€. 100€?

Armut ist weiblich und alleinerziehend, sagt man immer. Bei ihr trifft das zu. Ihren Sohn, den sie noch während des Studiums bekommen hat, hat sie allein großgezogen. Die Beziehung zu seinem Vater, ein sanfter, zu sanfter Mann aus der Karibik, hat nicht lange gehalten. Und weil ihr Sohn so kaffeebraun war wie sein Vater, war sie im Dorf eine Schande. Also ist sie in die Stadt gezogen. Dort hat sie viele Jobs angenommen. Und oft nicht gewusst, wie sie über die Runden kommen soll.

„Du glaubst es nicht, sagt sie zu mir, aber immer hat mir jemand geholfen. Und besonders ein Mann. Der hat mir 100€ zugesteckt und gesagt: ich will das Geld nicht wiederhaben. Aber du musst mir was versprechen. Wenn es dir wieder besser geht, dann schenke die 100 € jemandem, der sie genauso braucht wie du jetzt.“ Und genau das habe sie gemacht. Mehrmals. Immer mit der Ansage: Ich will das Geld nicht wiederhaben. Aber wenn‘s dir besser geht, gib es weiter an einen, der‘s braucht.

So einfach. So genial. Du kriegst was und darfst dich einfach nur freuen. Du musst dich nicht revanchieren. Du kriegst einen guten Tipp, die Einladung zum Kaffee, ein offenes Ohr. Und Schluss. Du machst dich nur sensibel für die, die auch was brauchen. Und wenn du es hast, gibst du es weiter. Ein Netzwerk der Beschenkten. Und du gehörst dazu. Oder mit den Worten des Apostels Paulus:

Umsonst habt ihr es empfangen, umsonst gebt es weiter.

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