SWR4 Abendgedanken

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Seit jeher streiten sich Religionen darum, welches die wahre Religion ist. Manche ziehen dafür sogar in den Krieg. Eine kleine Geschichte zeigt einen besseren Weg: In einer Familie wird von Generation zu Generation ein zauberhafter Ring vererbt. Wer den Ring trägt, ist bei Gott und den Menschen beliebt. 

Der Vater reicht den Ring immer an sein Lieblingskind weiter. Doch dann gibt es auf einmal ein Problem. Der Vater kann sich nicht entscheiden. Seine drei Kinder mag er alle gleich. In seiner Not lässt er zwei Kopien des Rings anfertigen, damit jeder einen Ring bekommt. 

Damit sind die Kinder aber nicht zufrieden. Es gibt Streit. Welcher ist denn nun der echte Zauberring? Die drei wenden sich an einen Richter. Doch der Richter kann nicht helfen: Die Ringe sehen genau gleich aus. 

Darum gibt der Richter ihnen einen Rat. Jeder soll mit einem Ring seiner Wege gehen. Es wird sich schon zeigen, welcher der wahre Ring ist. Eines der Kinder wird besonders beliebt und angesehen sein. So kann sich jeder bemühen, damit sein Ring sich als der wahre Ring erweist. 

Soweit die Geschichte. Auf den ersten Blick scheint es hier eher um den „Herrn der Ringe“ als um Religion zu gehen. Aufgeschrieben hat diese Geschichte Gotthold Ephraim Lessing vor gut zweihundert Jahren. Er dachte dabei an die vielen Streitereien zwischen den Religionen. Jede Religion behauptet schließlich: Bei uns findet ihr die Wahrheit! 

Mit Lessing kann ich sagen: Eine Religion sollte sich dadurch beweisen, dass sie zum Frieden beiträgt oder Gutes bewirkt. Schon beim Evangelisten Matthäus heißt es: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ 

Modern formuliert heißt das: Welche Religion hat den besten „Output“? Welche sorgt sich am meisten darum, dass Menschenrechte eingehalten werden oder dass Gottes Schöpfung bewahrt wird? Das sind die Früchte, die eine Religion erbringen kann. Und dabei geht es nicht nur um die Früchte der Bischöfe, Imame oder Rabbiner. Auch ich als einfacher Christ gehöre dazu. Auch bei mir sollte sich etwas von der Liebe Gottes zeigen. Und so könnte es vielleicht sein, dass die Wahrheit nicht in einer Religion liegt, sondern in mehreren. Überall dort nämlich, wo Gottes Liebe durch unsere Hände spür- und sichtbar wird.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21566
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