SWR2 Wort zum Tag

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Gerade bei Schicksalsschlägen  zeigt sich , ob und wie ein Mensch glaubt. Muslimische Patienten seien auffällig schicksalsergeben, sagen mir befreundete Ärzte.  Islam heißt ja  Hingabe an Gott, rückhaltloses Vertrauen.  Christen bekennen  eine vergleichbare Zuversicht  z.B.  in der Vaterunser-Bitte nach Matthäus:  „Vater,  Dein Wille  geschehen, wie im Himmel so auf Erden“.  Was im Himmel,  iIn der Welt Gottes schon geglückt ist, soll auch auf Erden überall gelingen.   Aber wie viele verbinden  mit der Vorstellung vom Willen Gottes nur negative Erfahrungen. Da erinnert man sich  an autoritäre Väter  mit ihrem klassischen Spruch: „so lange du deine Füße unter meinen Tisch stellst, bestimme ich“. Unangenehm strenge Chefs können einem einfallen, auch undurchsichtige Behörden und Instanzenwege. Nicht zu vergessen die inneren Überichbotschaften mit ihrem einpeitschenden „du sollst“. Alles schmeckt da nach Unterwerfung,  alles läuft auf Konfrontation  hinaus : entweder mein Wille oder dein Wille. In dieser Sicht wäre die Bitte, daß Gottes Wille geschehe, ein stets verlorener Machkampf. Wer käme schon gegen den Willen eines solchen  himmlischen Vater an,   und dann mit welch bösen Folgen, Bestrafung und Schuldgefühle eingeschlossen.

Aber nichts davon entspricht dem Vaterunser, nichts der Mitte christlichen Glaubens. Denn Gott ist Inbegriff zuvorkommender Güte, deshalb ja schon die Anrede „Abba,Papa“ . „Selbst wenn Vater und Mutter dich verlassen sollten, ich vergesse dich nie“, sagt dieser Gott zum Menschen. Keine Konkurrenz also, keine Unterwerfung, kein Kadavergehorsam. „Es geschehe dein Wohlwollen,  sonst nichts, und das überall, wie im Himmel so auf Erden“. Das ist die Botschaft. So wie Liebende sagen : ich will dich, sonst nichts, und das in guten und in bösen Tagen. Aus der letzten, tapfersten Lebenszeit Jesu, aus seinem Gebetskampf in Gethsemane, wird genau solches Vertrauen berichtet: „Abba, laß diesen Kelch an mir vorübergehen; aber nicht wie ich will, sondern wie du willst“.  Ja, der Kelch wird vorübergehen, hat Dietrich Bonhoeffer  unterstrichen, aber nur wenn wir ihn trinken.  Gottes Wille ist sein Wohlwollen, und deshalb gibt es  vertrauensvoll und in größter Freiheit beides: Widerstand und Ergebung.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21554
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