SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Auch mit dem Sonnenaufgang  heute  wird  ein  biblischer Satz wahr,  der zu denken gibt. „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne und Töchter eures himmlischen Vaters werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über  Bösen und Guten“ (Mt 5,44f).  In der Tat: alle kommen in den Genuss des Sonnenlichtes, und die Unterscheidung zwischen Freund und Feind darf niemals das letzte Wort sein. So großzügig und freigebend ist jene Wirklichkeit, die hier „himmlischer Vater“ genannt wird. Das Dasein steht demnach  unter einem höchst erfreulichen Vorzeichen, alles und alle sind umfasst und geborgen in dieser göttlichen Güte. So jedenfalls war es die Überzeugung  Jesu, so ist es biblischer und christlicher Glaube. Deshalb ist das Vaterunser eine wunderbare Summe, ein kostbares Mantra, ein Sonnengebet: „ Vater Unser, geheiligt werde dein Name“ Groß sollst Du sein, du Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf in unserer Zeit.

Noch zweimal folgt  ausdrücklich die Bitte,  Gott möge sich treu  bleiben und damit uns:  „Dein Reich komme, Dein Wille geschehe“.   Alles hängt daran, dass die Sonne göttlicher Güte wirklich täglich aufgeht  und  durchscheint  in allem. Hier im Vaterunser  wird sie zum Inbild  elterlicher  Güte und Freigebigkeit: das Bild aus Kosmos und Natur wird  verbunden mit der elementaren Erfahrung des Kindes: im Schutz von Vater und Mutter  erfährt es das, was alle Natur von der Sonne empfängt: Wärme, Licht, Leben.  Dreimal wird ausdrücklich darum gebeten, dass dieser wunderbare, sonnengleiche Gott wirklich da sei unter uns.  Mehr noch: betend  braucht der Mensch zuerst gar nicht mehr an sich zu denken, er hat nur eins im Sinn: das Wunder des Sonnenaufgangs, das Wunder des Gottesaufgangs: sei du, der du bist – dann ist alles gut. Im Vaterunser bittet der Mensch eigentlich nur um eins: er bittet Gott um Gott, sei du du. Diese anbetende Grundhaltung  ist  so ähnlich wie Sonnenbaden.

Natürlich fängt damit die Lebensarbeit erst an, und jetzt das Tagewerk. Beten heißt gerade nicht, die Verantwortung auf Gott abzuschieben   und die Hände in den Schoß zu legen, ganz im Gegenteil. Nicht zufällig folgen drei weitere Bitten: um das tägliche Bro , um die ständig notwendige Vergebung, um die Bewältigung all des Bösen in uns und um uns. Da steht  der bedürftige Mensch im Mittelpunkt, da ist ständig vom bedürftigen „uns“ die Rede. Nicht zufällig ist die Ausrichtung auf Gottes sonnige  Großzügigkeit verbunden mit der Aufgabe, nicht nur den Nächsten zu lieben, sondern den Feind. Da ist nun weiß Gott genug zu tun. Also, packen wirs an. Beten und Handeln sind untrennbar, sonst wird das eine nur frommes Gefühle und Gerede, und das andere womöglich Vollgas im Leerlauf. Beides steht unter dem Hoffnungszeichen des Sonnenaufgangs: Vater Unser.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21552
weiterlesen...