SWR2 Wort zum Tag

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Fasse dich kurz! Das dachte sich eine Studentin, als sie kürzlich eine Internetseite einrichtete. Darin bat sie ihre Kommilitonen, ihre wissenschaftlichen Arbeiten in einem einzigen Satz zusammenzufassen.

Eine pfiffige Idee, finde ich. Es stellt sich dabei einerseits heraus, dass hinter mancher Abschlussarbeit mit beeindruckendem Titel oft nur ein schlichtes, um nicht zu sagen banales Ergebnis steckt. Auf der anderen Seite zeigt sich aber auch, dass man Wichtiges durchaus in knappen Sätzen mitteilen kann.

Die Idee ist nicht neu. Ich denke an ein berühmtes Streitgespräch zwischen zwei jüdischen Gelehrten vor mehr als 2000 Jahren. Zu denen kam ein Außenstehender und sagte: „Ich werde euren Glauben annehmen, wenn ihr mir die Bibel erklären könnt in der Zeit, während ich auf einem Fuß stehe.“ Bekanntlich geht das bei den meisten Menschen nicht allzu lange. Der erste der beiden Gelehrten lehnte das Ansinnen darum auch rundweg ab. Der andere aber sagte: „Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht! Das ist der ganze Inhalt. Alles andere ist nur die Erläuterung.“ 

In dieser Tradition steht auch Jesus. Von einem Schriftgelehrten nach dem höchsten aller Gebote befragt, gibt er zur Antwort: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein. Den sollst du lieben von ganzem Herzen. Das andre aber ist dies: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Kein anderes Gebot ist größer als dieses.“

Mich beeindruckt, wie Jesu die Bibel in wenigen Worten konzentriert. Ihre Fülle und ihre Weite fasst er kurz zusammen im doppelten Gebot der Gottesliebe und der Menschenliebe.

Auf den Punkt gebracht, heißt das: wenn Gott die umfassende Lebensmacht für mich ist, befreit mich das von der Anstrengung, irgendetwas Anderes im Leben vergöttern zu müssen. Und wenn ich mein Handeln daran prüfe, welche Auswirkungen es auf meine Mitmenschen hat, dann ist das eine sehr konkrete und hilfreiche Weisung im Alltag.

Fasse dich kurz! Ich meine, wenn sich schon die Kernaussage der Bibel so auf den Punkt bringen lässt, dann müsste das doch auch für manches Gespräch, manche Sitzung und manche Rede im Alltag gelten.

Fasse dich kurz! Das wäre auch ein Zeichen der Nächstenliebe. Weil es hilft, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Und einander nicht kostbare Lebenszeit zu stehlen. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21548
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