SWR4 Abendgedanken

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„O du süßer Jesus Christ“ heißt es in einem alten Kirchenlied. Ich habe mich gewundert und bin im Internet auf die Suche nach Erklärungen gegangen. Da habe ich die Anzeige eines Schokoladenherstellers gefunden. Der verkauft Jesusfiguren aus Schokolade. Klingt ziemlich daneben, denke ich. Die Anzeige ist ein paar Jahre alt. Vermutlich hat sich das Produkt nicht gut verkauft, auch wenn der Hersteller damals offenbar gedacht hat, dass er eine Marktlücke gefunden hat: Ich frage mich: Erleichtert das den Glauben an Jesus Christus, wenn es dazu Schokolade gibt? Oder kommen hier zwei Dinge zusammen, die überhaupt nicht zusammenpassen: Jesus und Schokolade.

Ich habe weiter im Gesangbuch geblättert und gefunden, dass öfter von Jesus oder Gott gesagt wird, sie seien „süß“. Und dabei geht es nicht um ein süßes Baby in der Krippe zu Weihnachten sondern da heißt es zum Beispiel: „O süßer Herre Jesu Christ, der du der Sünder Heiland bist“ (EG 109,2). „My sweet Lord“ haben später sogar die Beatles gesungen.

Und doch redet heute ja niemand mehr wirklich vom „süßen Herrn Jesus“. Wahrscheinlich weil sich unsere Erfahrungen mit Süßem gegenüber dem 16. Jahrhundert verändert haben. Damals war die Zuckerherstellung noch schwierig. Deshalb war „Süßes“ etwas ganz Besonderes, etwas Kostbares.

Wenn ich heutzutage Jesus „süß“ nenne, dann klingt das für mich aber nicht nach Wertschätzung sondern nach Verniedlichung. Und einen niedlichen Jesus - mit dem kann ich wenig anfangen. In meiner Vorstellung ist Jesus einer, der sich mutig seinen Gegnern entgegengestellt hat. Er ist entschieden für die Verachteten und Ausgegrenzten eingetreten. Er hat Frieden und Nächstenliebe gepredigt. Süß und niedlich ist das für mich nicht. Auch die Geschichte seines Leidens ist eher bitter und ernst. Sie handelt von Schmerzen, Schuld, Demütigung und Tod.

Für mich ersetze ich deshalb in den alten Liedern „süß“ durch das Wort „freundlich“. Das verstehe ich dann besser. So ist Jesus mir in meinem Leben oft mein Gesprächspartner. Ich kann beim Beten über meine Sorgen mit ihm sprechen oder über Dinge, die in meinem Leben schwierig sind. Jesus als freundliches Gegenüber, das hilft mir. Jesus in Schokolade -- brauche ich nicht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21540
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