SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Etliche Menschen sind jetzt/in diesem Augenblick allein. Sie sitzen im Auto und fahren von der Arbeit nach Hause. Andere werkeln in der Küche, um ihr Abendessen vorzubereiten. Wieder andere liegen vielleicht schon im Bett, weil sie krank oder pflegebedürftig sind oder einfach nur müde. Und dann gibt es noch die, die zu Hause im Sessel sitzen und fernsehen oder Radio hören. Sonst nichts. Weil sie das unterhält und ablenkt.

Wer von denen, die jetzt allein sind, auch einsam dabei ist, weiß ich nicht. Ich vermute allerdings, dass das eine ganze Menge sein wird. Ihnen widme ich diese Sendung. 

Es ist ein Unterschied, ob ich allein bin oder einsam. Ungestört für mich, ohne dass ein anderer in meiner Nähe ist, das bin ich hin und wieder ganz gern. Ich kann dann meinen Gedanken nachhängen und brauche auf nichts und niemand Rücksicht zu nehmen. Ich bin auch froh, dass ich nicht in einem Großraumbüro arbeiten muss, sondern einen Arbeitsplatz für mich allein habe. Das gibt mir die nötige Distanz, die ich manchmal zu anderen Menschen brauche. Ich kann mich leichter in eine Sache vertiefen und mich besser konzentrieren, wenn ich allein bin.

Dann kenne ich aber die Situationen, in denen ich ganz und gar nicht gern allein bin. Beim Essen oder im Kino, an Weihnachten und meinem Geburtstag. Und auch am Altar stehe ich nicht gern allein, sondern bin froh, dass es Ministranten und eine Gemeinde gibt, die in meiner Nähe sind. Da würde ich mich sonst einsam fühlen, so ohne jemanden, der neben mir singt, mich ansieht, der einfach da ist, für den Fall der Fälle. Es tut dann gut zu wissen: Da ist noch ein anderer. Der kann auch was. Der kann zur Not helfen. Du bist nicht ganz auf dich gestellt. 

Leider geht es nicht allen Menschen so, dass sie einen anderen in der Nähe haben, der für sie da ist, wenn es darauf ankommt. Wenn da wiederholt oder generell keiner ist, dann spüren sie, wie allein sie tatsächlich sind, und wie weh das tun kann. Ich glaube, das ist es, was man Einsamkeit nennt. Wenn ich einen Schmerz spüre und mir ganz im Innersten wünsche, jetzt nicht allein zu sein. Aber da ist keiner, dem ich erzählen könnte, über was ich den ganzen Tag gegrübelt habe. Wenn ich allein stehende Menschen besuche, merke ich oft, wie gut es denen tut, dass nur einer da ist, dem sie erzählen können. Ich brauche selbst nicht viel zu sagen. Nur hören. Und hin und wieder lächeln. Und manchmal die Hand halten.

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