SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Schüler und Studenten dürfen bei uns sagen, was sie denken. So wie jeder. Sie bringen sich damit nicht in Gefahr oder werden gar mit dem Tod bedroht. Das ist gut so, weil es zeigt, dass wir in einem freien Land leben.

Heute vor 72 Jahren war das ganz anders. Drei junge Menschen sind damals hingerichtet worden, weil sie eingetreten sind für das, was für sie richtig war: Sophie und Hans Scholl und ihr Freund Christoph Probst. Sie haben klipp und klar gesagt, wovon sie überzeugt sind und was ihrer Überzeugung widerspricht. Immer wieder haben sie das getan, obwohl sie sehr genau gewusst haben, dass es für sie lebensgefährlich ist. Berühmt geworden sind die Flugblätter der sogenannten „Weißen Rose“, die sie an der Uni in München verteilt haben. Ihr erstes Flugblatt beginnt mit dem Satz: „Nichts kann eines Kulturvolkes unwürdiger sein, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique ‚regieren’ zu lassen.“

Dieser Satz zeigt deutlich: Die Geschwister Scholl und ihre Freunde haben sich nicht einschüchtern lassen. Kein Wunder, dass sie den Nazis ein Dorn im Auge waren. Und dass deren Schergen alles daran setzten, die mutigen jungen Leute aus dem Weg zu räumen. Am 22. Februar 1943 war es soweit. Vier Tage nach ihrer Verhaftung sind die drei Studenten in einem Schauprozess verurteilt und noch am selben Tag hingerichtet worden. 

Gott sei Dank leben wir in einer anderen Zeit. Aber manchmal wäre ich froh, die jungen Frauen und Männer der heute nachwachsenden Generation würden etwas deutlicher zum Ausdruck bringen, was sie denken und für unsere Gesellschaft wollen. Als Lehrer muss ich oft regelrecht aus ihnen heraus kitzeln, was ihnen nicht passt, wonach sie sich sehnen und wie sie sich ihr Leben vorstellen. Die große Mehrheit scheint sehr mit sich selbst beschäftigt zu sein - mit sich und den vielen Kleinigkeiten, die ihren Alltag ausmachen. Es gibt ein paar, die sich politisch engagieren und zum aktuellen Geschehen äußern. Sie sind eher die Ausnahme. Aber genau über die freue ich mich. Es ist gut und es tut mir gut, wenn jemand nicht mit allem einverstanden ist, was ihm begegnet. Widerstand ist überhaupt nicht zwecklos. Im Gegenteil: Er zeigt, dass wir noch nicht fertig sind, dass es noch etwas besser zu machen gibt. Und dass der Betreffende bereit ist, sich dafür zu engagieren. Von solchen kritischen Geistern leben wir. Damals und heute in Zeiten von Pegida und AfD. Mehr als wir vermuten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21476
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