SWR3 Gedanken

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Ein Rentnerehepaar aus Karlsruhe macht Urlaub in Franken. Nach einer anstrengenden Kanufahrt auf dem Main haben beide enormen Hunger und suchen in einem kleinen Dorf nach einer Mahlzeit. Schließlich werden sie fündig. An einem Haus entdecken sie den Schriftzug „Brauerei-Gasthof Hennemann“, ein Mann zeigt ihnen den Weg in den Gastraum.

Die beiden wundern sich, dass alles ein bisschen provisorisch aussieht. Aber als sich der Tisch mit Eiern, Tomaten, Käse und Fladenbrot füllt, fühlt sich das Ehepaar ausgesprochen wohl an diesem Ort, den sie für ein neueröffnetes syrisches Restaurant halten.

Denn es sind vier junge Syrer, die sich rührend um das ältere Ehepaar kümmern. Die sind nun allerdings keine Restaurantbetreiber, sondern Asylbewerber, die in diesem ehemaligen Gasthof Unterkunft gefunden haben. Erst als es ans Bezahlen geht, klärt sich der Irrtum auf.

Den beiden Urlaubern ist das Ganze unendlich peinlich. Für die vier Syrer wiederum ist das alles ein ganz normaler Fall von Gastfreundschaft. Dieses deutsche Ehepaar hatte ganz offensichtlich Hunger, dann lässt man sie doch nicht vor der Tür stehen. Und dass man dafür kein Geld will, versteht sich von selbst.

Diese Geschichte hat sich im vergangenen Sommer zugetragen. Inzwischen ist viel passiert in Sachen Flüchtlinge. Und mehr denn je beschäftigt uns die Frage, wie offen unser Land sein muss oder sein kann für Menschen, die Hunger haben nach Frieden und Menschlichkeit.

Die kleine Geschichte aus einem kleinen oberfränkischen Dorf ist für mich eine Antwort auf diese Frage. Interessanterweise kommt sie von denen, die bei uns Zuflucht suchen. Die debattieren nicht lange darüber, ob ihre Tür offen ist, sondern decken den Tisch. Denn eigentlich versteht sich das wirklich von selbst.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21454
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