SWR2 Wort zum Tag

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„Verzweifeln – das kenne ich nicht; dazu habe ich ein zu großes Gottvertrauen.“ Das sagt Sr. Ines Wellhäußer. Die Franziskanerin lebt seit zwei Jahren mit Flüchtlingen zusammen auf dem Martinsberg, dem ehemaligen Benediktinerkloster im oberschwäbischen Weingarten. Und Sr. Ines fügt hinzu: „Meine Zweifel dürfen nicht größer sein als meine Hoffnung. Meine Hoffnung ist immer eine halbe Nummer größer.“

Sr. Ines ist lebenserfahren genug; sie gibt sich keinen Illusionen hin. Das Leben kann schwierig sein. Und nicht immer stimmt es hoffnungsvoll. Das erlebt sie Tag für Tag in ihrer Sorge um die jungen Flüchtlinge, die ihr anvertraut sind und die sich ihr anvertrauen. Sie weiß, dass sie ihnen ihr Schicksal und ihre Traumata nicht nehmen kann. Und sie sieht, wie hoch die Hürden für die jungen Menschen sind, hier Fuß zu fassen, die Sprache zu lernen, eine Wohnung und Arbeit zu finden.  Für manche läuft es gut, andere tun sich sehr schwer, hier die neue Heimat zu finden, nach der sie sich so sehr sehnen.

Das alles erlebt die Ordensfrau hautnah, sie klammert die schmerzlichen Erfahrungen nicht aus. Auch sie kann den Menschen keine Garantie geben, selbst wenn sie sich noch so sehr bemüht. Sie schöpft die Kraft für ihre Menschlichkeit aus einer Lebenseinstellung, in der es immer einen Überschuss von Hoffnung gibt.

„Meine Hoffnung ist immer eine halbe Nummer größer“, sagt Sr. Ines. Was das Leben, was die Zukunft bringt, lässt sich trotz allen Bemühens nie letztlich planen. Vieles mag glücken und gut werden; aber ich kann nie ausschließen, dass das Leben ganz anders verläuft, als ich gedacht habe. Glück oder Unglück – beides ist möglich; manchmal erkenne ich einen Sinn, aber keinesfalls immer. Aber wie gehe ich in diese unverfügbare Offenheit hinein? Begegne ich ihr mit Skepsis, mit Fatalismus, mit Resignation? Oder aber – bei allem Realismus – mit einem Überschuss an Vertrauen?

„Hoffnung, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung“, sagt der Apostel Paulus einmal (Röm 8,24); und an anderer Stelle: „Glaubend gehen wir unseren Weg, nicht schauend“ (2 Kor 5,7). Die Frage ist: Was trägt mich? Wie weit trägt mein Vertrauen? „Verzweifeln – das kenne ich nicht; dazu habe ich ein zu großes Gottvertrauen“, sagt Sr. Ines. „Meine Zweifel dürfen nicht größer sein als meine Hoffnung. Meine Hoffnung ist immer eine halbe Nummer größer.“

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