SWR2 Wort zum Tag

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Hast du mir etwas mitgebracht? Das ist die Frage, die wohl jedes Kind dem soeben von einer Reise nach Hause kommenden Vater, der heimkehrenden Mutter stellt. Als Kind habe ich, glaube ich, unzählige Male so gefragt, ganz direkt und ohne meine Neugier zu verbergen.
Heute frage ich mich selbst – am Ende der Reisezeit, jetzt, wo alle wieder da sind, die Fern- und die Nahgereisten. Haben wir etwas mitgebracht von unterwegs – aus Städten und Landschaften, von Meeren und Küsten, von Bergen und Seen?
Die Hinreise tritt man ja in aller Regel an mit vollen Koffern und ein biss-chen Fernweh im Gepäck. Und die Rückreise? Jetzt wird es darum gehen, wieder den Weg in den Alltag zu finden und das Ankommen zu üben.
Wenn eine Reise nicht einfach nur eine besinnungslose Flucht gewesen ist, dann gibt es auch einen wirklichen Ertrag der Reise. Er könnte darin beste-hen, dass wir uns den fremden Blick, der uns auf Reisen auszeichnete, auch zu Hause bewahren. Er könnte in einer Haltung liegen, die neugierig und offen bleibt gegenüber Menschen und Dingen.
Eine solche Heimkehrergeschichte erzählt Jesus im Gleichnis vom verlore-nen Sohn. Dem war das Leben im Haus des Vaters leer und bedeutungslos geworden. Er wollte weg aus einer Welt, die ihm nichts Neues mehr zu bieten schien.
In der Fremde aber, wo er auf völlig andere Verhältnisse und Umgangs-formen stößt, verändert sich seine Wahrnehmung. Er lernt zu schätzen, was ihm einst gleichgültig war. Heimgekehrt sieht er den Ort, den er einmal verlassen hat, mit anderen Augen. Und entdeckt die Lebensfülle im Haus seines Vaters ganz neu.
Manchmal muss man wirklich erst einmal in der Fremde gewesen sein, um sich die Augen öffnen zu lassen für das Besondere des eigenen Zuhauses. Dann findet man das Wunderbare und Staunenswerte nicht nur in exoti-schen Fernen, sondern in der vielleicht nur allzu vertraut gewordenen Nähe daheim.
Dieser fremde Blick auf Menschen und Dinge, meine ich, wäre ein gutes Mitbringsel. Er bricht eingefahrene Sichtweisen auf, macht sensibel für bislang Übersehenes und öffnet die Augen für manches wunderbare und kostbare Detail im Alltag.
Ich wünsche Ihnen einen guten Tag. https://www.kirche-im-swr.de/?m=2140
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