SWR3 Gedanken

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Nacht der Schande. Auch unter diesem Titel ist die letzte Silvesternacht in Erinnerung geblieben. Weil unzählige Männer an Bahnhöfen Frauen belästigt und sexuell genötigt haben. Zwei Monate zuvor hat Gretchen Kelly, eine Bloggerin, einen Text über sexuelle Gewalt gegenüber Frauen verfasst, der mir da sofort wieder eingefallen ist. Weil er zeigt: Das ist kein neues Problem. Es hat aber ein völlig neues Ausmaß angenommen.

Kellys Artikel kann ich hier nur in Auszügen wiedergeben, aber ich finde was sie schreibt sehr wichtig und traurigerweise auch wahr.

Sie schreibt:

(...), wir haben es alle schon getan.

Wir haben alle gelernt, (...) wie man es vermeidet, einen Mann zu verärgern oder uns selbst in Gefahr zu bringen. Wir haben alle schon bei diversen Gelegenheiten einen unpassenden Kommentar ignoriert. Wir haben alle schon eine völlig unangebrachte Anmache einfach weggelacht. Wir haben alle unsere Wut heruntergeschluckt als wir kleingemacht oder belächelt wurden.

Es fühlt sich nicht gut an.(...). Aber wir machen es, um uns nicht in Gefahr zu bringen, nicht gefeuert zu werden, nicht als Zicke verschrien zu sein. Wir wählen also meist den Weg der geringsten Unsicherheit für uns. Der Weg der geringsten Unsicherheit ist für uns: [...]

 Den Sexismus weglachen, weil wir das Gefühl haben, keine andere Wahl zu haben.(...)

Das Telefon in der Hand haben, den Finger auf dem Anrufen-Button, wenn wir abends allein nach Hause gehen.

Unsere Schlüssel zwischen die Finger der Faust stecken, wenn wir eine Waffe auf dem Weg zum Auto brauchen.

Lügen und behaupten, dass wir einen Freund haben, nur damit ein Typ ein "Nein" akzeptiert.

In einer überfüllten Bar oder sonst einem überfüllte Ort sein und sich umdrehen, um zu sehen, wer einem da eben an den Arsch gefasst hat.

Wissen, dass wir selbst wenn wir ihn entdecken, wahrscheinlich nichts sagen werden. (...)

Unseren Freunden, Eltern oder Gatten nichts zu sagen, weil es nur eine alltägliche Tatsache ist, ein Teil unseres Lebens.(...)

Vielleicht haben deshalb die guten Männer in unserem Leben keine Ahnung, dass wir mit diesen Sachen täglich zu tun haben. Vielleicht ist es so normal geworden, dass uns gar nicht klar ist, dass wir es ihnen hätten sagen sollen.                               

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21397
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