SWR2 Wort zum Tag

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Eine Schnecke kriecht im Jahr 400 Meter weit. Unvorstellbar, wenn wir Menschen uns in diesem Tempo fortbewegen müssten. Ich sehe es ja bei mir: Mein Terminkalender ist inzwischen so eng gestrickt, dass ich auf das Auto kaum verzichten kann. Und nicht nur bei der Fortbewegung, sondern in vielen Bereichen ist schnell-schnell angesagt. Mikrowelle, Faxgerät, Kunstdünger – das sind alles Erfindungen, um möglichst viel in immer kürzerer Zeit zu erreichen. 

Mich macht dieser Zeitdruck manchmal wahnsinnig. Und deshalb bin ich froh, dass es auch Gegenbewegungen gibt. Der Verein „Slow Food“ – also „langsames Essen“ - sagt: Nur wer langsam isst kann auch genießen. Oder das Städtegütesiegel „Citta Slow“. Städte mit diesem Siegel haben verkehrsberuhigte Zonen, Orte der Stille und stehen für nachhaltigen Tourismus. 

Der Freiburger Biologe und Arzt Joachim Bauer ist überzeugt davon, dass man gesünder lebt, wenn man Dinge ruhig angeht. Man sollte nicht sofort nachgeben, wenn sich etwas in den Vordergrund drängt. Zum Beispiel das klingelnde Handy, das Schnäppchen, das mitgenommen werden möchte oder eine pampige Antwort im Wortgefecht. Wenn man diesen Impulsen schnell nachgibt, spricht er von einem „hedonischen“ Lebensstil. Joachim Bauer weist auf etliche wissenschaftliche Studien hin, die belegen, dass der hedonische Lebensstil Herzerkrankungen, Krebs und Demenzleiden begünstigt. Er sagt: „Es ist besser zu bremsen, innezuhalten, abzuwägen und zu überlegen, was im Moment gut ist, und was wir langfristig aus unserem Leben machen wollen.“ 

Eine gute Möglichkeit, dies einzuüben, ist es achtsam zu sein. Und deshalb boomt auch der Markt für Achtsamkeits-Seminare. Es tut gut, sich ab und zu dem jetzigen Moment zu stellen. Seinen Atem spüren, der automatisch kommt und geht. Mit allen Sinnen die Umwelt wahrnehmen. Offen werden für die Schönheit vieler Dinge und dafür, dass manche Menschen einfach anders ticken. Sich mit anderen mitfreuen. Die eigene Geschichte und Herkunft kennenlernen. Mal gar nichts tun und einfach nur „sein“. 

Vielleicht gelingt es mir, mich in den kommenden Wochen der Fastenzeit daran zu orientieren. Ich denke einfach an die Schnecke, die im Jahr gerade mal 400 Meter schafft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21390
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