Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Einer trage des anderen Last“, hat Jesus gesagt. Warum eigentlich? Ich meine, wenn ich meine Last mit einem anderen tausche, hab ich doch nichts gewonnen. Und wenn ich Pech habe, muss ich am Ende auch noch schwerer schleppen. Also, warum sollten wir das tun? Vielleicht genau deswegen. Jeder von uns hat ja seine ganz persönliche Last zu tragen. Aber man sieht der Last nicht immer an, wie schwer sie ist. Erst, wenn man sich die Last des anderen mal über die Schulter geworfen hat, bekommt man eine Ahnung, woran der zu schleppen hat. Und vielleicht geht mir dann ja was auf: Oh, meine Last ist ja doch nicht ganz so schwer, wie ich immer dachte. Oder anders herum: Vielleicht bekommt der andere ja mal eine Idee davon, woran ich alles zu schleppen habe - und erkennt das an. Und ich fühle mich verstanden. Und das macht es ein bisschen leichter. Denn was wissen wir schon voneinander? In erster Linie bin ich ja immer erstmal der Mittelpunkt meines kleinen Universums. Ich spüre ja keinen so gut wie mich selbst und meine eigenen Bedürfnisse. Und wenn ich so um mich kreise, habe ich den Eindruck: „Die ganze Last der Familie, des Betriebes, der Ehe,…- sie ruht ganz allein auf meinen Schultern.“ Und wenn ich dann zu den anderen rüber schiele, scheint es mir, als hätten die es allesamt leichter: Der Ehemann, der so völlig ungestört seine beruflichen Ziele erreichen kann. Und die Kollegin, die keine Familie hat und bestimmt jeden Abend die Füße hochlegen kann. Die Wahrheit erfahre ich nur, wenn ich genau hinsehe. Wenn ich danach frage: Was macht es dir eigentlich so schwer? Wie ist das wohl für dich als Ehemann, wenn Dir die Zeit fehlt für die Familie und du kriegst kaum noch was mit? Und wie ist das für dich als Kollegin, wenn du um deine Unabhängigkeit beneidet wirst, und dabei vielleicht von einem ganz anderen Leben träumst? „Einer trage des anderen Last“, hat Jesus gesagt. Warum? Weil alle etwas gewinnen, dabei: Wenn ich die Last eines anderen mittrage, frage ich nach seinem Leben. Seine Last geht mich plötzlich was an. Und meine Last wird auch gesehen. Und am Ende tragen alle etwas leichter.

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