Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ein Deutscher hatte einen Freund aus Afrika zu Gast. In dieser Zeit war er zu einem runden Geburtstag eingeladen, der ganz groß gefeiert wurde. Deswegen fühlte er sich in der Zwickmühle: Was sollte er dann mit seinem afrikanischen Freund anfangen? Er schämte sich, ihn zu diesem Riesenfest mitzunehmen. Wie musste diese üppige Feier auf ihn wirken, wo doch in Afrika große Armut herrscht! Aber er wollte ihn an diesem Tag auch nicht einfach allein zuhause sitzen lassen. Also nahm er ihn doch mit. Schon vorher entschuldigte er sich bei ihm für den Überfluss, den der Afrikaner auf der Geburtstagsfeier erleben würde. Als sie nach dem Festtag wieder zuhause waren, fragte der Deutsche seinen Freund: „Nun, wie hast Du die große Feier erlebt? Bestimmt war Dir etwas unwohl dabei.“ Der Afrikaner antwortete: „Nein, überhaupt nicht. Ich habe das Fest richtig genießen können, es war ein wunderschöner Tag. Und dass er so groß gefeiert wurde, daran ist mir nichts aufgestoßen.“ Und weiter sagte der afrikanische Freund: „Bei uns zuhause feiern wir auch manche Feste ganz überschwänglich, wirklich exorbitant – das können wir vielleicht noch besser als ihr. An dem Festtag, den ich miterlebt habe, da gibt es aus meiner Sicht überhaupt nichts zu kritisieren. Aber etwas anderes ist mir in diesen Tagen aufgefallen, und das möchte ich Dir zu bedenken geben: Euer Alltag ist zu festlich.“ 

Eine überraschende Wendung der Geschichte. „Euer Alltag ist zu festlich.“ Da ist etwas Wahres dran. 

Der Unterschied zwischen einem Fest und dem Alltag ist aufgrund unseres Wohlstands wirklich kleiner geworden. Viele können sich heute auch im Alltag alles Mögliche leisten. Dann ist das Fest nicht mehr das so Herausragende, das es früher war. Wenn das Außergewöhnliche gewöhnlich wird, dann gibt es auch nicht mehr so viel zu genießen. Schade! 

Unbedachtes Wohlstandsleben schadet offensichtlich beidem, dem Alltag und dem Fest. Und die beiden hängen zusammen. Je mehr der Alltag Alltag sein darf, desto mehr kommt das Fest heraus. Das habe ich von unserem Gast aus Afrika gelernt.

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