Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Da haben sich zwei gesucht und gefunden, so sagt man, wenn sich ein Liebespaar findet. Besonders, wenn beide vorher eher ungesellig wirkten und dann plötzlich nur noch zu zweit auftauchen – und alle Ecken und Kanten der einen Person werden bei der anderen Person aufgefangen.

Gesucht und gefunden – das habe ich an Weihnachten, am Heiligen Abend  einmal miterlebt. Ich arbeite im Krankenhaus und wir gehen am 24. Dezember immer durch alle Patientenzimmer, um den Kranken ein gesegnetes Weihnachtsfest zu wünschen. Manche sind ganz unglücklich, dass sie ausgerechnet zu Weihnachten fern von ihren Lieben im Krankenhaus sein müssen; wir bemühen uns dann, diese Menschen zu trösten. Es gibt auch – wie sich das für Weihnachten gehört – kleine Geschenke:

Ein Heft mit Weihnachtsgeschichten, ein Trostpflaster, eine kleine Bronzemedaille mit Maria, Josef und dem Kind. Mit dieser Bronzemedaille können viele erstmal nichts  anfangen. Man könnte sie auf den Nachttisch legen, vielleicht später zuhause an die Krippe stellen, aber eigentlich ist sie zu nichts nutze. Ich besuchte einen Mann, Anfang 50, Macho-Typ  ganz straff, nein, macht ihm nichts aus, Weihnachten hier zu sein, alles gut. Ob er denn trotzdem ein kleines Geschenk haben möchte, frage ich, und aus einer Eingebung heraus gebe ich ihm nicht das Geschichtenheft oder das Trostpflaster, sondern die Bronzemedaille. Er nimmt sie zwischen Daumen und Zeigefinger, vertieft sich in die  Darstellung der Krippe und schließt dann seine große Hand ganz fest um die kleine Plakette. Es wird richtig still in dem dämmrigen Zimmer. Ich lasse die Stille etwas wirken, dann sage ich leise: na, da haben sich ja zwei gesucht und gefunden. Ich glaube, er hat mich gar nicht gehört: unter der Hülle des Machotypen war ein gefühlvoller Mann zum Vorschein gekommen, der Maria, Josef und dem Kind sein Herz geöffnet hatte.

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