SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Am Anfang des Jahres werden die Kalender geprüft und das Jahr geplant: Familientreffen und Geburtstage werden eingetragen, kulturelle Ereignisse, die man nicht versäumen will, berufliche Hoch-Zeiten und Urlaube. Und man stellt fest: Die weite Zeitspanne eines Jahres bekommt einen Rhythmus.

Solch ein Rhythmusgeber war ursprünglich auch der Tag heute: Mariäe Lichtmess. Der Tag markiert den Zeitpunkt für Veränderungen. Im bäuerlichen Kalender ist heute der Tag, an dem Zinsen und Pachten fällig waren und Lohn ausgezahlt wurde. Ein Tag, an dem die Arbeitsstelle gewechselt werden konnte. Im kirchlichen Kalender schließt damit nun wirklich der Weihnachtsfestkreis, bevor die Zeit vor Ostern beginnt.

Der Tag gründet sich auf die biblische Erzählung von der „Darstellung Jesu im Tempel“: Nach biblischer Vorstellung war im Lebensrhythmus einer Familie der 40. Tag nach der Geburt eines männlichen Kindes von großer Bedeutung. Es wird erzählt (Luk. 2,22f), dass Maria und Josef mit ihren erstgeborenen Sohn Jesus zum Tempel kommen, um ein Dankopfer zu bringen. Aus diesem Ritual, das im normalen Rhythmus des Lebenslaufes geschieht, wird unerwartet ein prophetisches Zeugnis. Denn die hoch betagten und weisen Propheten Simeon und Hanna erkennen in Jesus das Gotteskind, das seinem Volk und den Menschen das ersehnte Heil bringen wird.

Der Tag markiert also auch im biblischen Erzählfluss nicht nur einen vorgeprägten, Lebensrhythmus, sondern den Moment einer Veränderung. Er verknüpft mit dem alt hergebrachten Ritual eine Begegnung, die Neues ankündigt: Gott überlässt die Welt nicht sich selbst. Es wird Großes geschehen. Das, was kommt, hat begonnen.

Warum habe ich diesen gewichtigen Tag zwischen erwartbarem Rhythmus und unerwartetem Neuen eigentlich nicht in meinem Kalender, und sei es nur als symbolischen Merkpunkt? Die Familie braucht Zeit. Freundschaften wollen gepflegt werden. Die Arbeit gelingt nur, wo Zeiten der Ruhe und Entspannung möglich sind. Ein Jahresrhythmus macht Sinn, natürlich. Aber: Er soll nicht zur Routine erstarren.

An Mariä Lichtmess wird eine Spannung festgehalten, in der ich lebe: Dass auch im Erwartbaren und Planbaren Veränderungen möglich sind. Im Rhythmus des Jahres ist ein Einschnitt festgehalten, an dem auch etwas anders werden kann, wenn es so sein soll. Es muss nicht alles so bleiben, wie es ist. Etwas Neues kann beginnen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21350
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