SWR2 Wort zum Tag

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Haltung ist gefragt. Egal, mit wem ich spreche: Ständig muss man sich zu aktuellen Fragen verhalten. In Stuttgart heißen die Themen: Flüchtlinge, Feinstaub, Bahnhof.
Wie komme ich zu einer klaren Haltung in diesen oft heftigen Debatten und Konflikten? Was hilft mir, an bestimmten Punkten auch „Halt!“ zu sagen?

Zwei biblische Bilder dazu sind mir wichtig:
Zum einen das Bild vom Baum, der am Wasser gepflanzt ist (Psalm 1): Sicher und tief sind seine Wurzeln. Er hat Lebenssaft, trägt wunderbare Früchte. Der Psalmbeter beschreibt damit einen Menschen, der in seinem Leben mit Gott rechnet, der sich an den Geboten Gottes orientiert und sich davon nicht abbringen lässt.

In den Psalmen kommen Betende zu Wort, die Angst haben, die wütend oder verzweifelt sind, die nicht wissen, was sie denken sollen. Aber sie bleiben in diesen Gedanken nicht stecken. Sie finden neue Kraft, indem sie sich erinnern: Gott hält mich, auch jetzt. Und können so bösen Angriffen und verletzenden Worten widerstehen und daran festhalten: Ich will etwas für den Frieden tun und für das Wohlergehen auch der anderen. Ich will etwas dafür tun, dass die Fremden willkommen sind und für ein gerechtes und gutes Leben für alle eintreten.

Daneben gibt es ein zweites Bild. Auch dieses Bild beschreibt den Halt, den Menschen in Gott finden. Aber es malt nicht das Kraftvolle, sondern das Anrührende und Verletzliche vor Augen im Bild eines geknickten Schilfrohrs. Der Prophet Jesaja spricht davon, dass Gott „das geknickte Rohr nicht zerbrechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen wird.“ (Jes. 42,3).

Was da beschrieben wird, ist etwas sehr Tröstliches, wenn einen böse Erfahrungen fast umwerfen, wenn sie alle Energie aufbrauchen und verlöschen lassen, so dass man zugeben muss: Es ist fast nichts mehr da. In diese Lebenserfahrung hinein flüstert das Prophetenwort: Das, was noch da ist, wird nicht zerbrochen, es wird nicht ausgelöscht und nicht als unbrauchbar weggeschafft. Gott wird es neu beleben.

Ein Schilfrohr kann sich wieder aufrichten. Ein Docht kann wieder aufflammen. Gott hält das Fast-Zerbrochene und das Fast-Erloschene und macht es wieder lebendig und stark.
Gott gibt beiden Halt, den Geknickten und den Kraftvollen. Ich weiß: Manchmal gehöre ich zu den einen, manchmal zu den anderen. Doch immer zu denen, die gehalten sind.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21349
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