SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Viele Leute sagen, Religion ist Privatsache. Denn Religion und Politik gehören getrennt. Ich vermute, sie meinen etwas Anderes: die Trennung von Kirche und Staat. Da haben sie auch grundsätzlich recht. Die Verbindung von Kirche und Staat hat in der Geschichte selten dafür gesorgt, dass es den Leuten gut ging, sondern die Mächtigen in Kirche und Staat haben sich oft nur selbst gegenseitig zugearbeitet.

Das spricht klar für eine Trennung von religiösen und staatlichen Institutionen. Und nicht nur für christliche, sondern auch für jüdische und muslimische. Vielleicht hat Papst Benedikt das auch im Blick gehabt, als er in Freiburg gemeint hat, dass die Kirche in Deutschland auf Privilegien verzichten soll.

Aber eine Trennung von Kirche und Staat heißt noch lange nicht, dass Religion etwas ist, was nur ins Privatleben gehört. Im Gegenteil. Gerade wenn ich demokratisch denke, darf ich nicht übersehen, dass die Kirche und die anderen religiösen Institutionen für viele Menschen sprechen. Sie sind eine Stimme in der politischen Meinungsbildung. Nicht zum Eigennutz. Also so, dass die Politiker Gesetze machen sollen, die der Kirche und ihren Mitgliedern nützen. Es geht eher darum, dass Gesetze nochmals auf den Prüfstand kommen, ob sie den Menschen nützen. Und zwar vor allem auch denen, die sonst zu kurz kommen würden, weil keine Lobby sich für sie einsetzt.

Die Kirchen können sogar mithelfen, dass unser Land eine Demokratie bleibt. Zum Beispiel, wenn Kirchenvertreter sich für die freie Wahl der Religion einsetzen. Nicht nur für ihre Mitglieder, sondern für alle. Ob ich mich für die christliche Religion entscheide, oder für eine andere oder auch für keine Religion, das ist wirklich meine Privatsache. Aber wenn ich mich entschieden habe, Christ zu sein, dann kann ich das nicht auf mein Privatleben beschränken und die anderen Menschen links liegen lassen. Denn dann muss es mir um eine Welt und eine Gesellschaft gehen, zu der auch die gehören, die am Rand leben. Die, die scheinbar versagt haben oder die schuldig geworden sind. Jesus hat es ja vorgemacht. Wenn er zum Beispiel mit Prostituierten isst und arme und kranke Menschen als gleichwertige Personen behandelt. Da wird deutlich, dass sein Glaube nichts Privates ist. Deshalb eckt er ja auch an. Das gehört dazu. Aber er bleibt trotzdem bei dem, was ihm wichtig ist. Das ist mutig, das ist christlich und sicherlich auch politisch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21339
weiterlesen...