SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Gott als Mörder, der auf der Flucht ist. Das ist ein Titelbild der Zeitschrift „Charlie Hebdo“. Vor einem Jahr haben IS-Terroristen die Redaktion dieses französischen Satire-Magazins überfallen und dabei Menschen getötet. Und so erinnern die Überlebenden jetzt daran: Gott als Mörder. Als ich das zum ersten Mal gesehen habe, bin ich zusammengezuckt. Prompt haben auch die Kirchen protestiert, hier würden religiöse Gefühle verletzt. Sicherlich zu Recht. Ich finde es problematisch, wenn Gott hier wie ein Verbrecher auf der Flucht dargestellt ist. Klar, die Zeichner treffen damit einen wunden Punkt. Denn der Gott in der Bibel wird hin und wieder als gewalttätig beschrieben, z.B., wenn er die Ägypter im Roten Meer ertrinken lässt. Aber vielleicht zielt die Karikatur ja gar nicht darauf ab, das Christentum zu kritisieren. Ich fände das zumindest unpassend, wenn es darum geht, an die Opfer der Anschläge vor einem Jahr zu denken.

Wenn diese Leute kritisieren wollen, dass Gott herhalten muss, um Gewalt an anderen zu rechtfertigen oder zu motivieren, dann ärgert mich diese Karikatur sogar. Denn wenn dieser Missbrauch Gottes ein No-Go für religiöse Menschen ist, dann aber bitteschön auch für Religionskritiker und Atheisten. Sonst machen sie nur dasselbe wie die radikalen Religiösen: Sie benutzen Gott für ihre Zwecke und das wird ihm sicherlich nicht gerecht.

Mit geht’s nicht darum, dass man so eine Karikatur verbieten müsste und Pressefreiheit gegen Religionsfreiheit ausspielt. Auch nicht darum, dass ich vielleicht gekränkt bin: Ich finde, so etwas muss erlaubt bleiben. In einer Demokratie muss ich mir Kritik gefallen lassen an dem, was ich denke und glaube. Das braucht unsere Gesellschaft, unser Staat und auch unsere Kirchen.

Wenn ich aber merke, dass meine religiösen Gefühle verletzt sind, dann will ich nicht bei meiner Kränkung bleiben. Im Gegenteil, wenn ich wirklich gläubig bin, dann geht es dabei nicht um mich und auch nicht um die Terroristen. Wenn ich glaube, dann sehe ich in anderen Menschen Gottes Geschöpfe, ich respektiere sie als Brüder und Schwestern. Das geht so weit, dass ich mich der Kritik von anderen stelle und Kränkungen verzeihe. 

Ich bin dann eben keine beleidigte Leberwurst. Wie denn auch, wenn ich doch glaube, dass Gott alles verzeihen kann. Ich glaube hier eher so wie Jesus, der selbst am Kreuz noch um Vergebung für die gebetet hat, die ihn hingerichtet haben. Und das ist mein Gott: Er ist immer souverän und bleibt den Menschen zugewandt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21337
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