SWR2 Wort zum Tag

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„Mit der Religion hat das nichts zu tun.“ Diesen Satz hört man immer wieder. Vor allem im Blick auf den Islam. Wenn gefragt wird: Hat islamistischer Terror etwas mit dem Islam zu tun? Oder die Gewalt-Übergriffe auf Frauen, wurzeln die vielleicht in der Religion? Die Antwort ist dann oft. ‚Nein. Das hat nichts mit Islam zu tun.‘
Ich fürchte, solche verbalen Abgrenzungen helfen auf Dauer nicht weiter.
Ich sage das aus Erfahrungen, die wir als Christen gemacht haben.
Wir wissen aus unserer Geschichte, religiöse Wege können in die Irre gehen.
Wie antworten Sie auf folgende Fragen?
Haben Kreuzzüge etwas mit dem Christentum zu tun?
Hat die Vernichtung der Juden durch Deutsche etwas mit Christentum zu tun? Und die jahrhundertelange Männerüberlegenheit und -gewalt gegen Frauen? Oder die Diskriminierung von Homosexuellen bis heute?
Ich kann mich als Christ gegen diese Fragen nicht abgrenzen. Indem ich behaupte: ‚Nein, sie haben nichts damit zu tun.‘
Sie haben. Was genau und wie viel, das muss man genau anschauen.
Wenn man sich erkennt, kann man Irrwege korrigieren.
Wir mussten als Christen lernen: Ja, wir haben den Glauben auch irrig ausgelegt und gelebt. ZB: Juden sind eben nicht Gottes Feinde, sie sind Gottes Volk. Auch in Zukunft.
Als Christen müssen wir die Bibel auslegen. Und fragen, wie wir heute im Sinn Jesu, also barmherzig, damit leben. Und es gibt Auslegungen bei Christen, über die wir streiten müssen. Ob sie richtig und gut sind. Wie wir als Christen in „wahrem christlichem Geist“ leben.
Was haben diese Erfahrungen nun mit dem interreligiösen Dialog zu tun?
Ich denke, wir könnten Muslime ermutigen, die strikte Abgrenzungsstrategie zu überdenken. Also:
Wenn gefragt wird: Hat der Islam etwas mit Terror zu tun, mit „Männerüberlegenheit“ über Frauen?
Ich glaube, es wäre gut, wenn Muslime sich dem stellen würden, dass es Auslegungen des Koran und Strömungen im Islam gibt, die wohl damit zu tun haben. Und ich glaube, es wäre gut, wenn sie den innerislamischen Streit führen würden, von ihrem Heiligen Buch her. Auch öffentlich.
Und darüber streiten: Wie legt man den Koran barmherzig aus und wie soll er gelebt werden im 21. Jahrhundert? Diesen Streit führen können nur Muslime selbst. Das kann ihnen niemand von außen abnehmen.
Aber wir können Muslime, die guten Willens sind, unterstützen in diesem Prozess, indem wir uns gegen Islamophobie stellen. Und als Christen nicht überheblich erzählen wie fortschrittlich wir sind. Sondern von Irrwegen, von Umkehr und davon wie wir Wege suchen, den Glauben „barmherzig“ zu leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21308
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