SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Was kann ich als Einzelner schon tun? Die folgende Geschichte sagt etwas dazu. Ein Kind ist nach der Schule auf dem Weg nach Hause. Da liegt auf dem Weg, über den viele Fahrräder rollen und Menschen gehen, ein bunter Käfer. Hilflos zappelt er - auf dem Rücken liegend - mit den Beinen in der Luft. Das Kind hebt ihn auf. Trägt ihn behutsam an den Rand des Weges ins Gras.
Ein Mann, der vorbeikommt, schaut belustigt zu. „Du kannst doch nicht alle Käfer retten“, sagt er. „Was du da machst, ändert doch nicht das Geringste!“ Das Kind schaut den Mann aus großen Augen an. „Doch“, sagt es, „für ihn ändert es etwas!“
Die Geschichte antwortet auf eine Erfahrung, die mir nicht fremd ist. Was kann ich schon tun? Man kann sich doch nicht zerteilen. Ich kann nicht alles machen. Irgendwann komme ich an meine Grenzen. Vielleicht kennen Sie auch solche Sätze?
Sie begegnen uns auch in der Diskussion um die Aufnahme von Flüchtlingen. Wie viele können wir aufnehmen? Was ist realistischerweise zu schaffen?
Seit Wochen schwelt die Diskussion über diese Frage angesichts der Vielen, die sich nach Deutschland flüchten. In der Hoffnung, hier endlich Sicherheit und Frieden zu finden.
Gewiss - es ist so, dass ich nicht jedem helfen kann, der zu uns kommt.
Aber das heißt nicht, dass ich ohnmächtig bin. Da, wo ich etwas tun kann, kann ich mit meinen -  zugegeben begrenzten Möglichkeiten - etwas tun.
Die orientierungslos an der Straßenkreuzung stehende Familie ein Stück auf ihrem Weg begleiten. Der der deutschen Sprache nicht mächtigen Ausländerin beim Einkaufen helfen. Den allein stehenden Nachbarn bei einem  Gang in die Klinik begleiten.
Es stimmt schon: Ich kann nicht alles tun. Ich muss meine Grenzen kennen.  Aber ich sehe andererseits: schon ein Kind kann einen Käfer retten. Und ich kann einem Menschen helfen, Boden unter die Füße zu bekommen.
Das Gebot der Nächstenliebe verlangt ja keine Selbstaufgabe. Es hält die Sorge für mich selbst und für meinen Mitmenschen in einer humanen Balance. Es lebt von der Erfahrung: was ich ihm Gutes tue, kommt auch mir zu Gute.
Nein, zerteilen kann ich mich nicht. Aber das Eine oder Andere kann ich schon tun. Die Geschichte vom Kind, das einen Käfer rettet ist, dafür ein Beispiel. Durch seine kleine Tat wird auch die Welt im Großen ein bisschen menschlicher und lebenswerter.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21205
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