SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Eingeladen von einer großen deutschen Zeitung, sitzen sie in einem Lokal in Paris zusammen. Die Witwe eines ermordeten Karikaturisten, Künstler, Politiker, ein Architekt. Gemeinsam versuchen sie – Wochen nach den furchtbaren Attentaten – zu verstehen, wie diese die Stadt und sie selbst verändert haben.
Ein bisschen Wehmut kommt auf, wenn von dem Frankreich früherer Tage die Rede ist. Und auch Zaghaftigkeit im Blick auf die Zukunft. Eine aus der Runde sagt schließlich den Satz: „Wir klingen alle so, als müsste uns jemand erlösen“.
Ein Satz, ein Gedanke, der mich elektrisiert. Das kenne ich doch auch, dieses Gefühl, wenn ich die täglichen Nachrichten sehe. Und versuche, sie irgendwie einzuordnen und zu verarbeiten...
Die über Meer und Land zu uns kommenden Flüchtlinge. Die offenen und verborgenen Kriegsherde an vielen Ecken der Erde. Die Grausamkeit, mit der Menschen übereinander herfallen.
„Wir klingen alle so, als müsste uns jemand erlösen“. Die Aufgaben, vor denen wir stehen, scheinen unlösbar. Die Mittel begrenzt und unangemessen. Wo beginnen? Worauf vertrauen?
Ein Satz jüdischer Weisheit, den ich bei Martin Buber lese, fällt mir ein. „Wenn du einen Menschen rettest, so ist es, als würdest du die ganze Welt retten.“ Mir gefällt der Pragmatismus dieses Satzes. Er verschließt sich jedem Zynismus. Und übersetzt eine unlösbar erscheinende Aufgabe in kleine Schritte. Sie beseitigen das Problem im Ganzen nicht. Aber sind doch sinnvoll.
Ja, denke ich, es muss uns jemand erlösen. Erlösen auch von dem Glauben, ich selbst könne und müsse die Welt erlösen. Alles, was wir tun, wäre nur sinnvoll, wenn mit meiner Unterstützung die Welt auf ein ideales Ergebnis zuliefe.
Und wenn sie es nicht tut? Dann bleibt dennoch das, was gut ist, gut. Dann bleibt dennoch das, was hilfreich ist, hilfreich. Dann rettet eine mutige Tat den Glauben und die Hoffnung vieler, dass es sinnvoll ist, etwas zu tun. Und bringt den – oft aus Hilflosigkeit geborenen - Zynismus ins Stolpern.
„Erlöse uns Gott!“, beten Christen. „Erlöse uns von dem Bösen!“ Es ist auch eine Bitte, die den Blick dafür schärft, wie und wo man dem Bösen widerstehen kann. Durch welches Wort, welche Tat. Beides zusammen schafft Raum, für das, was die Not wenden kann. „Wenn du einen Menschen rettest, so ist es, als würdest du die ganze Welt retten.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21204
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