SWR3 Gedanken

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Tüten sind bei uns wichtig. Das ganze Jahr über. Weil hier so oft jemand hereingeschneit kommt, der sein ganzes Leben mit sich trägt in ein paar Tüten.
Da sind ein paar Klamotten drin und immer mal auch erstaunliche Schätze.
Ein gerahmtes Bild vom verstorbenen Sohn; ein Mathebuch mit dem einer selbst unterrichtet hat. Damals als er noch Lehrer war. Oder eine duftende Seife. Tüten stellen die Leute ab, die vom Einkauf auf dem Markt vorbeikommen oder sonst aus der Stadt.
Und Tüten sind besonders wichtig an Weihnachten, wenn in der Heiligen Nacht hier fast 300 Leute kommen, die sonst allein zuhause wären oder gar kein zuhause haben.
Da bekommt jeder eine Geschenketüte die liebevoll gepackt ist mit Söckchen und Mützen und Handschuhen Schals und Rasierschaum, Schampoo und Plätzchen und Kerzen.
Eine Frau hat einen besonders schönen bunten Schal darin gefunden und immer wenn sie mich sieht wedelt sie damit und ruft: Den hab ich von Ihnen bekommen!
Tatsächlich hatte ich zehn Tüten in der Hand und sie hatte zufällig diese bekommen.
Und trotzdem: Ich seh sie wedeln von fern.
Sie strahlt mich an mit ihrem verwüsteten Gesicht und lächelt mit wenig Zähnen aber voll Glück.
Sie ist so beschenkt, als wäre das Christkind ihr persönlich auf den Schoß gekrabbelt und hätte sich bei ihr eingekuschelt.
Und ihr Gesicht strahlt so, dass alle Wissenschaftler, die sich fragen, woher sie eigentlich kommt- die Weihnachtsfreude nur sie studieren brauchen, dann hätten sie eine Antwort:
Und die lautet: Die Freude kommt daher, dass eine spürt, dass sie erwählt und gewollt ist und Gott zu ihr kommt, ganz persönlich eben
und sie dann wedeln kann mit ihrem wunderschönen bunten Schal.

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