SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Zwischen den Jahren eine weihnachtliche Geschichte von Aljoscha, Gottes kleinem Lieblingsengel. 

Aljoscha traute seinen Ohren nicht. Draußen schien die Sonne, das Thermometer zeigte 25 Grad und aus den Lautsprechern eines kleinen Restaurants hörte er laut und deutlich Weihnachtslieder. Auch wenn er wusste, dass viele weihnachtlichen Lieder international verbreitet waren klang nicht nur für seine Ohren "O Tannenbaum" oder "O du fröhliche" bei diesen sommerlichen Temperaturen etwas bizarr und ungewohnt. Der kleine Engel befand sich in Südafrika und hier waren die Jahreszeiten quasi "umgekehrt". Wenn dort Herbst ist, beginnt bei uns der Frühling, wenn bei uns kalter Winter Einzug hält ist für Südafrika der Sommer angesagt.  "Heiße Weihnacht statt weiße Weihnacht", sagte Aljoscha schmunzelnd zu sich selbst. Weihnachten mit Tänzen am Strand oder mit Lametta, Schnee und Lebkuchen, das Wichtigste aber war überall gleich: die Weihnachtsbotschaft. Gott wird Mensch, legt sich in die Krippe, ohne Glanz und Gloria, beginnt sein Menschsein ganz unten. Wenn die Menschen das nur nicht vergessen, sagte Aljoscha zu sich als er sich unbemerkt die ärmlichen Behausungen in den Townships ansah, die vor Kapstadt zu tausenden zu finden waren. Lauter Krippen, dachte Aljoscha, denn auch Maria und Josef waren Unerwünschte in ihrer Suche nach richtiger Unterkunft. Gut dass es hier "irdische Kolleginnen und Kollegen" gab, menschliche Engel, die ihr Möglichstes taten um zu helfen und um den Bewohnern etwas von ihrer Würde zurückzugeben. Ein Zeichen der Hoffnung war für Gottes Lieblingsengel auch der Guide, der Besucher durch das ehemalige Gefängnis "Robben Island" führte. Dort waren zur Zeit der Apartheid, als Menschen auf unmenschliche Weise in Weiße und Schwarze getrennt wurden, politische Gefangene wie Nelson Mandela jahrelang, manche jahrzehntelang, eingesperrt worden. Auch der Guide gehörte zu ihnen. Sieben Jahre hatte man ihn hier in einer der winzigen Zellen gefangen gehalten. Bei allem was diesem schwarzen Südafrikaner angetan wurde, war er trotzdem an diesen Schreckensort zurückgekehrt und begriff seine Aufgabe als Friedensdienst, als Beitrag zur Mahnung "Nie wieder". Bewegt von dem was Menschen Menschen antun können, im Negativen wie im Positiven überlegte der kleine Engel wie er das Erlebte in die Herzen der Menschen übersetzen könnte. Damit Weihnachten noch mehr das Fest wird, das Menschen ermuntert mehr Mensch zu werden. Und er ahnte, dass dies nicht leicht sein würde.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21131
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