SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wieder ein Jahr vorbei. Heute Abend knallen die Sektkorken, steigen Raketen in den Himmel. 2016 steht vor der Tür. Rückblicke gab es genug, große Ereignisse kamen in Erinnerung, schöne wie traurige, von bedeutenden Menschen, die gegangen sind wurde gesprochen, von den Schlagzeilen des Jahres erzählte jeder Sender. 

Ich denke an die Fußnoten, an die ohne Scheinwerferlicht, an die Vielen mit ganz persönlichen Stimmungen an Silvester. An die, denen kalt ist. Die von innen frieren. Die Weihnachten und alles was damit zusammenhängt hinter sich gebracht haben. Ohne Romantik, ohne Trost. 

An alle denke ich, die Lasten aus dem einen Jahr ins andere schleppen. Die es schwer mit sich selbst haben und alles mit sich allein ausmachen. 

An die denke ich, die schwermütig sind, deren Seele Trauer trägt, warum auch immer. Die halbmast leben oder eher überleben, und sich schleppen von einem Tag zum nächsten. 

An alle denke ich, die sie belächeln, nicht ernst nehmen, oder kühl verdächtigen. Die nicht mehr spüren, was neben ihnen passiert, die hart geworden sind. Die habe ich vor Augen, die sich schützen, mit immensem Aufwand, deren Lächeln Maske ist, Schutz vor Tränen, die man niemand zumutet. An alle denke ich, die sich mit Gewalt zusammenreißen. 

An die Resignierten, an die Stummgewordenen, an die in sich Verbitterten, an sie denke ich vor Gott. 

Ich bete für sie. Ich bitte für sie. 

Auch für alle, die von der Liebe verwundet wurden. Die vor Trümmern stehen, die sprachlos wurden, sich fremd und fern, die sich getrennt haben in diesem alten Jahr. Besonders bitte ich für alle, deren Schicksal niemand interessiert und die niemand vermissen würde, wenn sie gingen. 

Ich denke aber auch an alle, die nicht nur um sich selbst kreisten im alten Jahr sondern hellwach blieben für alles, was neben ihnen geschah. Die für viele Halt und Stütze waren und es auch bleiben werden. Aber auch an die, die es hätten sein können und sich vielleicht vornehmen, es im neuen Jahr dann doch zu sein: Mitmensch und Engel. So wie ihnen auf ihre Weise möglich ist.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21127
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