SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Müde steige ich aus dem Zug. Herrliche Tage liegen hinter mir, erholsame Ferien, gutes Essen, malerische Umgebung. Voller Bilder komm ich zurück. Der Bahnhof holt mich auf die Erde zurück. Ein junger Mann hält mich an. Verzottelt, torkelnd, er riecht nach Alkohol. Ich kenne ihn, nur vom Sehen, wie man so schön sagt, weiß aber, was er will. Er pumpt mich an um ein paar Euro.  „Weißt du, ich will noch mit der Bahn fahren, hab kein Geld, drei Euro wären gut.“ Du hast dich gut informiert, denke ich, aber fahren wirst du doch nicht. Das Geld wirst du sicher versaufen. Trotzdem geh ich nicht weiter, denke zurück an die letzten Tage,  was das alles gekostet hat, was ich mir leisten konnte. Ihm nichts geben oder ihn belehren, das kann ich nicht. Ich öffne den Geldbeutel, nichts passendes, nur einige Scheine.

Ich denke wieder an die letzten Tage, hole Luft und geb ihm 10 Euro. Ich schaue ihn nicht an, will nur weg von ihm, will in Ruhe gelassen werden, weiß dass es zu viel war. 

Ich gehe grußlos. Er ruft mir was nach, ich versteh es nicht, es wird wohl Danke gewesen sein. in paar Meter weiter lauert der Nächste. Ich geh ihm schnell aus dem Weg. Dann sehe ich wie sich die beiden treffen. Mein Spezi hält die 10 Euro in die Höhe, triumphierend, er lacht: „schau was wir haben“. „Mensch Ralf“ sagt der andere. Ralf heißt er also, er hat einen Namen. Ich kenn ihn halt nur vom Sehen.
Schon öfter hab ich ihm was gegeben, aber sein Name?
Danach gefragt habe ich nie, hat mich nie interessiert. Oft wird er wohl nicht danach gefragt, selten mit Namen angesprochen. Ich erschrecke und stelle mir vor
niemand würde sich dafür interessieren, wie ich heiße. 

Kaum vorstellbar aber nicht wenigen geht es so. In diesen weihnachtlichten Tagen haben wieder viele schmerzhaft erkennen müssen, dass niemand ihren Namen kennt, niemand sie anspricht und die Selbstgespräche noch mehr schmerzen. Da hilft dann auch keine Beschwichtigung, auch nicht der Gedanke an Gott, in dessen Hand alle Namen geschrieben sind, vor dem jeder Name und Ansehen hat. Das stimmt ja alles. Aber ein Gesicht, eine Hand, ein direktes Wort helfen spürbar und sind dann auf diese Weise ein Zeichen des menschgewordenen Gottes, den wir an Weihnachten als den Immanuel besungen haben. Denn das ist sein Name: Immanuel. Und das heißt: Gott ist mit uns. Sein Name ist tröstende Verheißung und: Auftrag für uns. Damit sein Name spürbar und erfahrbar wird. Durch uns.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21126
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