SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Telebier nannte es meine Schwester, wir vereinbarten uns um eine bestimmte Uhrzeit das Glas zu erheben und anzustoßen. So machte sie es auch mit ihren Freunden, wenn ein Fest zu feiern war und man nicht gemeinsam zusammen sein konnte. In einer bestimmten Minute das gleiche machen und kräftig aneinander denken, egal wie viel Kilometer man voneinander getrennt ist.

Noch nicht lange her, da sah ich ähnliches in einem Film. Die misstrauische Großmutter ärgert sich, dass die Enkelin sich immer aus dem Haus stiehlt. Jung verliebt hat sie nur ihren Freund im Kopf, die erste große Liebe. Gerne wäre sie bei ihm, aber sie muss die Ferien bei der Großmutter verbringen, nicht gerade freiwillig, aber die Eltern wollen es so.

Wie die vier Wochen aushalten? Die beiden Jungverliebten haben eine Idee und vereinbaren eine bestimmte Stunde am Tag, in der sie spazieren gehen, oder sonst etwas Ruhiges machen, jedenfalls allein. Und dann fest an den anderen denken. „Ihre Stunde“ nennen sie sie.

Es gibt eine Nähe, die ist auch dann da, wenn man sich nicht sieht. Wenn Dinge passieren, die ein Zusammensein unmöglich machen. Wenn Trennungen auszuhalten sind. Wie viele Partnerschaften sind auf das Wochenende angewiesen, müssen noch größere Abstände aushalten, nicht weil man für sich sein will, oder die eigene Freiheit braucht, sondern weil es einfach nicht geht, beruflich zum Beispiel.

Man nimmt es in Kauf, wünscht sich anderes, lebt aus der Sehnsucht, dass dies irgendwann vorbei ist, man nicht mehr Termine macht. Zusammen wohnt, im Alltag ankommt und jetzt lebt man, was möglich ist.

„In Gedanken bin ich bei Ihnen, anders schaff ich es nicht“, schrieb mir jemand den ich gerne bei einem Fest dabei gehabt hätte. Sicher wäre seine Gegenwart noch schöner gewesen aber sein Signal in Gedanken mit mir verbunden zu sein, schlug Brücken über viele Kilometer.

Beim Beten ist es ähnlich. Für jemand beten heißt vor Gott an sie oder ihn denken. Das geht mit oder ohne Händefalten, mit oder ohne formulierte Gedanken, in oder außerhalb von Kirchenräumen. Manchmal sind es konkrete Anlässe, gibt es besondere Wünsche, die ich äußern möchte für den, an den ich vor Gott denke. Es kann aber auch ganz absichtslos sein, einfach den Namen nennen oder ihn denken, gut an ihn denken. Gott wird weiß eh besser, was für ihn das Beste ist. Zeiten dafür gibt es genug. Zwischendurch im Alltag, in Wartezeiten, an der Bushaltestelle oder in der Mittagspause, zwischen zwei Terminen. Und nicht nur die, an die ich gerne denke. Auch die, mit denen ich mich schwer tue. So wie sie sich vielleicht mit mir. Am Ende eines Tages kurz die Menschen vor dem inneren Auge vorbeiziehen zu lassen, die meinen Tag bestimmt haben. Sie Gott empfehlen. Das ist Beten. Ganz undramatisch. Ganz wichtig.                                   


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