Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Auf der einen Seite steht die kirchliche Lehre und auf der andern Seite das Leben der Menschen. Und im Rheinland ist man sehr erfinderisch, wenn es da um Kompromisse geht. Kirchliche Lehre ist immer noch und wird geradezu gebetsmühlenhaft wiederholt: Weihnachten beginnt erst an Weihnachten. Die Zeit davor ist die Adventszeit. Und deshalb gibt es in den Kirchen auch noch keinen Weihnachtsbaum, sondern nur den Adventskranz. Und auch noch keine Weihnachtslieder, sondern es werden nur Adventslieder gesungen. Auch Krippen sollen nach der kirchlichen Lehre erst an Weihnachten aufgebaut werden. So weit so gut. Aber was machen, wenn das Leben auf den Plätzen und Straßen, in den Geschäften und natürlich auch in den Medien ganz anders tickt. Dort sind schon seit Wochen überall Weihnachtsbäume zu sehen. Weihnachtslieder dudeln den ganzen Tag aus vielen Lautsprechern und Krippen – mal kleiner mal größer – werden auch schon ausgestellt. Zumindest in der rheinischen Metropole Köln. Da gibt es gar einen Krippenweg, bei dem man über hundert Krippen besichtigen kann und das schon seit dem ersten Adventssonntag. Auf den Plätzen, in Schaufenstern, Kneipen, Museen, eine sogar mitten im Hauptbahnhof. Und auch viele Kirchen machen mit bei diesem Krippenweg – obwohl noch Advent ist. Aber mit dem typisch rheinischen Kompromiss. Im Kölner Dom zum Beispiel ist eine große Krippenlandschaft aufgebaut, aber ohne das Jesuskind. Das findet man dort nicht, noch nicht. Maria sitzt noch schwanger auf einem Esel und sucht gemeinsam mit Josef vergeblich ein Quartier. „Weil“– wie es in der Bibel ja so schön heißt – „in der Herberge kein Platz für sie war“.  Und die beiden sind mit ihrem Esel auch nicht allein unterwegs. Auch Flüchtlinge sind zu sehen auf der Balkanroute.

Ich finde diesen rheinischen Kompromiss gut. Mitmachen beim Krippenweg – auch schon im Advent, aber anders. Den Blick auf den neugeborenen Jesus gibt es noch nicht. Dafür aber Hinweise, dass sich diese alte Geschichte von Weihnachten auch heute abspielt. In Syrien, auf dem Balkan und den Flüchtlingsunterkünften hier bei uns. Wenn so der eine oder andere Tourist irritiert den Dom wieder verlässt, weil er in der Krippe das Jesuskind nicht gefunden hat, dann hat sich die Sache schon gelohnt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21116
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