Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wenn man die Weihnachtsgeschichte hört, könnte man meinen, Jesus wäre in einer Kleinfamilie groß geworden. Bei seiner Geburt in Bethlehem war auch nur Vater und Mutter, also Josef und Maria. Keine Großeltern, keine Onkel und Tanten, keine Cousinen. Die Bibel erzählt nur von fremden Hirten und von drei Sterndeutern aus dem Morgenland.
Aber Jesus muss eine Großfamilie gehabt haben. Wie alle Kinder damals im Orient. Und eine Großmutter. Die wird zwar in der Bibel nicht erwähnt, aber in einigen Legenden ab dem 2. Jahrhundert. Dort steht, Jesus hätte einen Opa Joachim gehabt, der Priester in Jerusalem war und eine Oma Anna. Diese Oma Anna war die Mutter von Maria. Den Christen ab dem 8. Jahrhundert war Anna so wichtig, dass die Kunst ein eigenes Motiv für sie geschaffen hat. Das Motiv der „Anna selbdritt“. Also-  Anna zu dritt:  mit der Tochter Maria und dem Enkel Jesus.
Eins der schönsten Bilder, die ich dazu kenne, stammt von Leonardo da Vinci. Da sitzt Oma Anna, eine wunderschöne Frau, auf einem Stein und auf ihrem Schoß, zur Seite gedreht, sitzt ihre Tochter Maria. Die schöne Maria in einem hellblauen Kleid streckt ihre Arme zum Jesuskind hin. Der kleine, vielleicht 2-jährige Jesus klammert sich an ein Lämmchen und hebt ein Bein, um es zu besteigen. Maria, will ihn davon abhalten.
Nun muss man wissen: In der christlichen Kunst ist das Lamm ein Symbol für das Leiden, das auf Jesus wartet, für seinen Kreuzestod. Davon will Maria ihn abhalten. Anna aber lehnt sich zurück, lächelt und verbreitet Ruhe und Gelassenheit.
Ich finde es wunderbar, wie Leonardo mit in seinem Bild von der Großmutter Anna allen Großmüttern ein Denkmal gesetzt hat. Anna steht dabei nicht zwischen Maria und dem Jesuskind. Sie zeigt Maria auch nicht, wie man es richtig macht. Auch wenn sie aus dem Abstand heraus vielleicht besser sehen kann, dass ihr Enkelsohn seinen Weg gehen muss.
Annas Platz ist in der zweiten Reihe. Und gerade so ist sie unendlich wichtig und hilfreich. Mit ihrem Schoß, mit ihrer Güte und ihrem Lächeln.

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