Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Zur Strafe müssen sie jetzt ein Konzert geben- ein Wohltätigkeitskonzert. Wegen Verstoß gegen § 21 des Versammlungsgesetzes. Chor und Orchester des Mainzer Staatstheaters waren angeklagt und Ludwig van Beethoven mit seiner „Ode an die Freude“.
Die haben die Sängerinnen und Sänger im Foyer des Mainzer Staatstheaters gesungen mit weit geöffneten Fenstern. Während unten auf dem Theaterplatz die AfD eine Kundgebung abhalten wollte. Gegen das Asylchaos.
„Freude schöner Götter Funken!“, haben sie gesungen und „Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt.“ Zuerst hat ein Redner der AfD sich für das Konzert bedankt. Aber zu mehr ist er nicht gekommen. Sein Versuch, das christliche Abendland zu retten, ging unter in der Freude schöner Götterfunken. Eine Frau fand das gar nicht lustig „Haut ab, hat sie nach oben gerufen. Ihr Arschlöcher“. Aber da oben im Theater ist es dann erst richtig losgegangen. Mit Gesang und  bunt angestrahlten Luftballons. Mit Spruchbändern wie. „Für ein buntes Deutschland.“ Oder einem Satz des Dichters Lessing: „Es eifre jeder seiner unbestochnen von Vorurteilen freien Liebe nach.“
Eine „unbestochne, von Vorurteilen freie Liebe“. Dafür hat sich Jesus auch stark gemacht. Nicht mit Kampf und Konfrontation, sondern wie die vom Staatstheater: mit Kunst.
Unvergesslich die Szene, als Jesus im Sand gemalt hat. Dabei war er umstellt von wütenden Männern. Die wollten eine Frau steinigen wegen Ehebruch. Und sie wollten, dass Jesus das gut findet. Aber Jesus sagt nichts. Er malt in den Sand. Und irgendwann stellt er eine Frage, die die Männer so beschäftigt, dass sie keine Lust mehr auf Steinigung haben.
Die vom Mainzer Staatstheaters haben nicht gemalt, sie haben gesungen. So wunderschön und strahlend dass die ganze Innenstadt verzaubert war. Für einen Moment hat die Freude alle Angst und Wut verdrängt.
Seitdem gehe ich wie viele Mainzer mit einem breiten Grinsen durch die Stadt, wenn ich an unser Theater denke. Kunst und Musik können zwar Gegner nicht entwaffnen, aber sie können einen unseligen Kampf unterbrechen und sie können einen Vorgeschmack geben auf Frieden und Geschwisterlichkeit.
Übrigens: das Benefizkonzert vom Staatstheater findet am 24. Januar statt. Und danach wollen alle irgendwas für Flüchtlinge machen.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21077
weiterlesen...