Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Der Baum ist festlich geschmückt, der Tisch ist reich gedeckt und alle sind da, die ganze glückliche Familie. So stellt die Werbung sich Weihnachten vor.
Und jedes Jahr frage ich mich: Und was ist jetzt mit den Singles? Und den Alten, deren Kinder zu weit wohnen? Oder einfach nicht kommen wollen? Fällt bei denen jetzt Weihnachten aus?
Eine Lebensmittelfirma hat einen Werbespot gedreht, in dem sich ein alleingelassener Opa was einfallen lässt. Er schickt seiner Familie vor Weihnachten seine eigene Todesanzeige. Seine Kinder und Enkel lassen ihre Arbeit sein und reisen, wohl auch mit einem schlechten Gewissen, aus der ganzen Welt an. Und dann stehen sie- alle in Trauerkleidung im Wohnzimmer des Großvaters und finden ihn dort putzmunter vor. Der Weihnachtsbaum ist geschmückt und der Tisch festlich gedeckt. Und der Opa sagt: „Wie sonst hätte ich euch an Weihnachten hier zusammengebracht!“ Und dann feiern sie Weihnachten, die ganze glückliche Familie. Ach ja. Die Geschichte endet mit der Frage: Und was verbindest du mit Weihnachten?
Ich verbinde damit so ziemlich das Gegenteil. Natürlich liebe ich Familienfeste, ich kann gar nicht genug davon kriegen. Aber wenn, dann doch bitte freiwillig. Vor allem aber: Als Fest der Heiligen Familie. Und die ist nicht heil. Und sie feiert auch nicht sich selber, sondern diese unglaubliche Geschichte, dass Gott selber auf die Erde gekommen ist. Und zwar genau für die, die keine Familie haben, keinen Baum und keinen festlich gedeckten Tisch. Für die Alten und Vergessenen, die Armen und die Fremden, für die ist Gott ist gekommen. Das meint die Geschichte von Bethlehem und dem zugigen Stall.
Weihnachten ist für mich das Fest der Überraschungen. Wenn der verloren geglaubte Sohn doch noch kommt. Wenn man mit Fremden an Heiligabend viel Spaß hat. Das hab ich mal erlebt. Den ganzen Heiligabend in einer großen Kirche. Zuerst hab ich mich wie ein armes Würstchen gefühlt. Aber dann haben wir miteinander vertraute Lieder gesungen und gebetet. Und wir sind miteinander ins Gespräch gekommen. Und haben viel gelacht. So- glaube ich, ist Weihnachten ursprünglich gedacht. Als Familienfest der Kinder Gottes.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21072
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