Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Sind Ihnen in letzter Zeit auch Menschen begegnet, die mit dem Fahrrad über die Autobahn fahren? Am liebsten würde ich dann sofort anhalten und darauf hinweisen, wie gefährlich das ist. Aber selbst das ist ja schon zu gefährlich, deshalb tue ich es nicht. Dabei wäre es in den meisten Fällen eine ganz konkrete und wirksame kleine Integrationsmaßnahme. Denn in fast allen Fällen handelt es sich zurzeit bei diesen Radfahrern um Flüchtlinge, die schlicht und einfach unsere Verkehrsregeln nicht kennen und die Gefahr total unterschätzen, in die sie sich begeben. Von einer anderen Integrationsmaßnahme hat mir ein Kollege erzählt. Der ist katholischer Religionslehrer und hat einem muslimischen Schüler erlaubt, im Religionsunterricht dabei zu sein. „Warum denn nicht?“ hat er geantwortet, als Ayman ihn danach gefragt hat. Womit er nicht gerechnet hat: Ayman stellt jetzt dauernd Fragen, auch solche, die nichts mit dem Thema des Unterrichts zu tun haben. Aber er will ja so viel wissen von dem Land, in dem er jetzt lebt und von den Menschen, die darin leben. Und warum die so sind, wie sie sind. „Woran kann man erkennen, dass Christen noch Hoffnung haben?“ wollte er wissen. Ups, gar nicht so einfach. Aber sich um die Antwort drücken, das geht nicht. Denn verständliche Antworten geben, klar zu sagen, für was man steht, und auch für was nicht, das ist eine ganz wichtige Integrationsmaßnahme. Es hat keinen Zweck, Menschen wie Ayman auszuweichen. Auch Antworten wie „Weiß nicht; ist mir egal; hab ich mich noch nicht mit beschäftigt; geht mich nichts an“ nützen rein gar nichts. Denn die, die jetzt zu uns flüchten haben nicht nur ein Recht auf Unterkunft und Verpflegung. Sie haben auch ein Recht darauf zu wissen, mit wem sie es hier zu tun haben, in welchem Staat wir hier leben, welche Kultur wir pflegen, woran wir glauben und was uns wichtig ist. Und wenn ich dann unsicher werde, weil ich merke, dass mir die Antworten schwer fallen, dann muss ich mir zuerst an die eigene  Nase greifen. Wenn Integration von Flüchtlingen gelingen soll, dann müssen wir Ureinwohner selbst uns erst einmal klar werden, wofür wir stehen. Ich glaube, da haben wir alle ein gutes Stück Nachholbedarf. Das kann eine große Chance sein, die wir nutzen sollten. Ach so: Woran man erkennt, dass Christen noch Hoffnung haben? Mein Kollege hat vom Adventsbrauch des Barbarazweiges erzählt. Man nimmt einen Zweig vom Obstbaum, holt ihn ins Warme und stellt ihn ins Wasser. Dann beginnt er im Dezember zu blühen, mitten im Winter, obwohl man damit nun wirklich nicht rechnen kann.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21037
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