SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Diese ersten Tage des neuen Jahres zählen noch zu den so genannten Rauhnächten. Viele magische Bräuche ranken sich um diese Zeit zwischen dem Weihnachtsfest und dem Erscheinungsfest am 6. Januar. Angeblich soll man in dieser Zeit nicht arbeiten, nicht spinnen, backen oder Hülsenfrüchte essen und möglichst wenig das Haus verlassen, damit böse Geister keine Macht über die Menschen gewinnen. Eine Freundin von mir wäscht in dieser Zeit nicht, das ist ein alter Brauch in ihrer Familie und hängt ebenfalls mit den Rauhnächten zusammen. Jetzt hält sich meine Angst vor bösen Geistern in Grenzen, aber ich finde, es ist eine gute Idee, im alltäglichen Lauf des Lebens Unterbrechungen einzuplanen. Meine Freundin hat genug Kleider im Schrank und ausreichend Unterwäsche in der Schublade um auch 12 Tage ohne Waschen und Bügeln durchzustehen. Möglicherweise findet sie noch andere Tätigkeiten, die dem Spinnen und Backen entsprechen und verzichtet auch auf diese Arbeit. Was auch immer man unterlässt: Plötzlich sieht der Alltag anders aus! Interessanterweise kann gerade die Unterbrechung des Alltags dazu führen, einmal etwas ohne Unterbrechung tun zu können. Ein Buch von der ersten bis zur letzten Seite zu lesen. Mit der Familie ein Spiel spielen, das stundenlang dauert. Einen Spaziergang mit dem Liebsten machen. Oder einfach gar nichts tun, in der Badewanne liegen und die Wärme genießen. Das funktioniert sogar, wenn ich in dieser Zeit arbeiten muss. Schließlich ist irgendwann Feierabend, nur in dieser Zeit dann ein Feierabend, der nicht mit Waschen und Putzen zerstückelt wird.
Möglicherweise ist nach 12 Tagen die Wohnung unaufgeräumter als sonst und vor der Waschmaschine türmen sich Berge. Dafür habe ich einen kleinen Urlaub mitten im Alltag erlebt und mir den Luxus gegönnt, an einer Sache dran zu bleiben, die mir gerade am Herzen liegt. Vielleicht macht mir die Hausarbeit im Anschluss an diese Zeit sogar wieder Spaß!
In manchen Gegenden beten und fasten Menschen in dieser Zeit der Rauhnächte. Sie nutzen damit diese Zeit geistlich, statt den Flur zu bohnern haben sie einen inneren Hausputz. Und nach 12 Tagen wieder neu Freude daran, im eigenen Lebenshaus zu wohnen. Oder mit den Worten Teresa von Avilas gesagt: Tu deinem Körper etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen.

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