SWR2 Wort zum Tag

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Vergessene Wörter – das sind Wörter, die in unserer Sprache immer seltener vorkommen. Es gibt sogar eine „rote Liste“ der meist bedrohten Wörter. Dazu zählen zum Beispiel „blümerant“ oder „Lichtspielhaus“. 

Die religiöse Sprache ist voll von solchen vergessenen Wörtern. Das merke ich vor allem dann, wenn ich mit Menschen spreche, die nicht religiös erzogen oder aufgewachsen sind. Einer dieser Ausdrücke, der im Advent und in Krippenspielen immer wieder eine große Rolle spielt, ist das Wort „Erlöser“. Für mich klingt das normal: Christus ist der Retter, der Erlöser. Im Advent warten wir auf ihn, und an Weihnachten feiern wir seine Geburt. Aber Menschen, die noch nicht viel von Jesus gehört haben, können nicht viel anfangen mit „Erlöser“. Von was wird man denn erlöst und wie? 

Ein Kinderspiel kann dabei helfen, „Erlöser“ zu erklären. Mein Sohn liebt es, herumzurennen. Im Kindergarten gibt es ein Spiel, das heißt „Versteinerung“. Und wenn kein Kindergarten ist, dann muss ich mit meinem Sohn und seinen Freunden „Versteinerung“ spielen. Eigentlich ist es ein Fang-Spiel mit kleinen Zusatzregeln: Wenn mein Sohn mich abschlägt, muss ich sofort wie versteinert stehen bleiben. Ich kann aber aus meiner Versteinerung „erlöst“ werden: Wenn mir jemand durch die Beine kriecht, dann darf ich wieder mitspielen. 

Ganz schön anstrengend dieses Spiel. Und trotzdem bin ich jedes Mal froh, wenn mir ein kleiner Racker durch die Beine krabbelt. Denn wie versteinert herumzustehen, das ist fast noch anstrengender als rumzurennen. 

Bei diesem Spiel kann ich Erlösung am eigenen Leib erfahren - spielerisch. Wie oft warte ich im echten Leben darauf, erlöst zu werden. Erlöst von kleinen und großen Zwängen. Von einem unangenehmen Gespräch zum Beispiel. Oder von einem unausstehlichen Chef. Erlöst von der ewigen Ebbe im Geldbeutel oder von einer schweren Krankheit. Manche wären gerne erlöst vom Leben, andere vom Tod. Von manchen Dingen kann man sich selbst befreien. Aber oft kann ich mir Erlösung nicht selbst verschaffen. Genau wie im Versteinerungs-Spiel. Es braucht jemand dazu. 

Wir Christen warten besonders im Advent darauf, dass jemand kommt und uns  aus unseren Versteinerungen befreit. Wir warten auf den „Erlöser“ Jesus Christus. Es gibt zwar keinen festen Termin, aber wir glauben, dass er alles zu einem guten Ende bringen wird – nicht gleich an Weihnachten, aber irgendwann einmal.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21021
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