SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wenn Kinder erwachsen werden, ist es für die Eltern oft schwer, sie gehen zu lassen. Heute ist Barbara-Tag und auch die Legende der Heiligen Barbara beginnt damit, dass der Vater sie nicht ziehen lassen will. Er sperrt Barbara in einen hohen Turm ein. Heute undenkbar so etwas. Und ich glaube, dass es auch im vierten Jahrhundert für eifersüchtige Väter nicht gerade üblich war. 

Auf die Einsperr-Aktion reagiert Barbara so, wie viele Jugendliche heute vielleicht auch noch: sie rebelliert jetzt erst recht. Das Christentum ist damals noch eine Art Untergrundorganisation und eignet sich hervorragend dafür, die Eltern auf die Palme zu bringen. Aber nicht nur deshalb lässt sich Barbara taufen, sondern vor allem, weil sie es schätzt, wie die Christen um sie herum leben und miteinander umgehen. 

Das ist so gar nicht nach dem Geschmack der Eltern. Als der Vater merkt, was passiert ist, liefert er sie dem antichristlichen Statthalter aus. Der lässt Barbara foltern, das ist so üblich in diesen Zeiten und in den alten Legenden. Aber Barbara überlebt und vor allem: sie bleibt entschiedene Christin. Schließlich soll sie enthauptet werden. Der rachsüchtige Vater selbst vollstreckt das Urteil. Hätte er mal besser nicht gemacht, denn er wird im gleichen Augenblick vom Blitz getroffen. Auch das haben wir vermutlich der Legendenbildung zu verdanken. Aber es zeigt, welches Vertrauen Christen in die Kraft Gottes hatten. 

Ich lerne aus der Legende, dass es schwierig ist, seine Kinder zähmen zu wollen. Das ist oft brutal schwer, weil besorgte Eltern mehr Gefahren im Blick haben als sorglose Jugendliche. Aber ist es nicht besser, Jugendliche in Liebe ziehen zu lassen als sie einzusperren? 

Ein Brauch zum Barbara-Tag verdeutlicht das sehr schön: Es ist üblich, am 4. Dezember Kirschbaumzweige zu schneiden, ins Wasser zu stellen und irgendwo in der warmen Wohnung aufzustellen. Um die Weihnachtszeit werden die Zweige dann Blüten tragen. 

Für alle Eltern mit pubertierenden Kindern kann das heißen: Vielleicht muss ich mich in einer schwierigen Phase gar nicht so sehr einmischen. Auch wenn ich das gerne täte, weil die Jugendlichen im Moment noch reichlich unerfahren oder widerspenstig sind. Aber es ist wie mit den Kirschzweigen im Dezember: irgendwann blühen die meisten auf – und das fast von allein. (364)

https://www.kirche-im-swr.de/?m=21020
weiterlesen...